Wenn die Lunge zu hohen Blutdruck hat

Ein Würzburger Experte klärt über Lungenhochdruck auf – Patientenseminar an der Missionsärztlichen Klinik

Schwierigkeiten beim Atmen. Luftnot. Schwindel, bis hin zur Ohnmacht. Ein Beklemmungsgefühl in der Brust. Andauernde Müdigkeit. Antriebslosigkeit. Stark eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit. All diese Beschwerden können auf unzählige Krankheitsbilder hinweisen – auch auf Lungenhochdruck. „Die Symptome sind sehr unspezifisch“, erklärt der Kardiologe und Pneumologe Dr. Matthias Held, und genau das ist das grosse Problem dieser Erkrankung, die lebensbedrohlich werden kann. Der Oberarzt an der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg und dortige Leiter des „Interdisziplinären Lungenhochdruck-Teams“ sagt, eine „frühzeitige Diagnose und Therapie“ der pulmonalen Hypertonie und der pulmonal-arteriellen Hypertonie, so der Fachjargon, seien deshalb so wichtig, weil sonst „irreparable Schäden drohen“. Wird Lungenhochdruck nicht behandelt, führt er früher oder später zwangsläufig zum Tod, weil das Herz unheilbaren Schaden nimmt.

Die genaue Diagnose ist wichtig

Lungenhochdruck ist – holzschnittartig ausgedrückt – ein erhöhter Blutdruck in der Lunge. Zwei Kreisläufe im Menschen sorgen dafür, dass er überhaupt leben kann: der Körperkreislauf und der Lungenkreislauf. Der Lungenkreislauf ist zwar natürlich mit dem Körperkreislauf verbunden, wird aber gesondert reguliert. „Bei Lungenhochdruck verengen sich die Lungengefässe, die Gefässmuskulatur verdickt sich, der Gefässinnenraum wird kleiner“, erklärt Held. Mit der Zeit wird also immer weniger Sauerstoff über die Lunge aufgenommen, gleichzeitig verringert sich die Pumpleistung des Herzens. Wird das nicht behandelt, kann das Herz irgendwann nicht mehr pumpen.
Lungenhochdruck ist aber auch nicht gleich Lungenhochdruck“, sagt Held. Weil es fünf Untergruppen mit wiederum zahlreichen Unterformen gibt, die teils unterschiedlicher Therapien bedürfen, ist „die genaue Diagnose so wichtig“. Lungenhochdruck kann sich auch als Folge anderer Krankheiten entwickeln, etwa bei Linksherzerkrankungen oder bei COPD, der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, an der Millionen Deutsche leiden. Auch Menschen, die eine Lungenembolie hinter sich haben, unterliegen einem erhöhten Risiko, Lungenhochdruck zu entwickeln, ebenso Menschen, die an HIV-Infektionen oder angeborenen Herzfehlern sowie Pfortaderhochdruck als Folge einer chronischen Lebererkrankung leiden. Bestimmten Risikopatienten rät Herz- und Lungenspezialist Held, der auch Mitautor des deutschen Kommentars zur europäischen Lungenhochdruck-Leitlinie ist, einmal im Jahr prophylaktisch zu einer Ultraschall-Untersuchung des Herzens. Die Spezialisten gehen davon aus, dass bei frühzeitiger Diagnose ein besserer Therapieerfolg zu erwarten ist.
Ein weiterer Risikofaktor für Lungenhochdruck sind die sogenannten Kollagenosen. Darunter wird eine Gruppe von entzündlichen Autoimmunerkrankungen zusammengefasst, die sich vorwiegend an Bindegewebe und Blutgefässen abspielen. Im Prinzip kann jedes Organ davon befallen werden. Die Ursache der Kollagenosen gibt der Medizin noch Rätsel auf, man nimmt an, dass es einen Zusammenhang von erblichen Faktoren psychischem Stress und Viren gibt.

Vielschichtige Behandlung

Die Behandlung von Lungenhochdruck ist vielschichtig, grundsätzlich muss bei einer pulmonalen Hypertonie, die sich aufgrund einer anderen Erkrankung entwickelt hat, das zugrundeliegende Krankheitsbild behandelt werden, so Held. Da manche Lungenhochdruckformen auf einem Ungleichgewicht von gefässverengenden und gefässerweiternden Botenstoffen beruhen, greifen moderne Medikamente dort ein. Erste Anlaufstelle bei Verdacht auf Lungenhochdruck sind laut Held der Hausarzt sowie ein Facharzt für Kardiologie oder Pneumologie. Erhärtet sich der Verdacht, entscheiden die betreuenden Ärzte, ob eine Vorstellung im Lungenhochdruckzentrum sinnvoll ist.
Ein weiteres Problem bei Lungenhochdruck: Nicht wenige Patienten ziehen sich sozial zurück, weil sie unsicher sind, wie sie mit der Krankheit umgehen sollen und dürfen. Was bedeutet die Diagnose für mich und meine Familie? Wie lange habe ich noch zu leben? Kann ich mit anderen darüber sprechen? Muss ich mich jetzt permanent schonen, oder darf ich mich noch belasten? Wenn ja, wie weit? Darf ich in die Berge? Darf ich fliegen? Joggen? Radfahren? „Die Betreuung von Patienten mit Lungenhochdruck ist mehr als reine Medikamententherapie“, sagt Lungenfachmann Held.
Auch wenn es selbstverständlich immer auf den Einzelfall ankomme, gelte grundsätzlich, so Held: Bewegung ist gut, aber man sollte aufhören, bevor die ersten Symptome wie Schwindel oder Atemnot auftreten. „Lungenhochdruck-Patienten bekommen ein recht gutes Gespür für ihre Belastungsfähigkeit.“ Höhenaufenthalte bis zu 1200 Metern seien okay. Weil die Luft weiter oben immer dünner wird, also weniger Sauerstoff enthält, könne es in höheren Lagen schwierig werden. Ebenso im Flugzeug, weil der Kabinendruck etwa 2500 Höhenmetern entspricht. Tauchen ist tabu.

Steigerung der Lebensqualität

Ein gesunder Lebenswandel und eine vollwertige, an Obst, Gemüse und Ballaststoffen reiche Kost helfen, andere, den Lungenhochdruck begünstigende Erkrankungen zu vermeiden. Momentan arbeitet die Wissenschaft an Medikamenten für Lungenhochdruckformen, für die es bislang noch keine Mittel gibt. Auch die Missionsärztliche Klinik wirkt an solchen Studien mit. „So haben wir die Möglichkeit“, sagt Held, „einigen Patienten eine Behandlung anzubieten, für die es bisher keine spezielle Behandlung gab.“
Lungenhochdruck ist zwar noch immer nicht heilbar“, so Matthias Held, „aber durch eine frühzeitige Therapie kann die Belastbarkeit des Patienten und damit seine Lebensqualität erheblich gesteigert werden.“

[@uelle:Mainpost T. Brandstetter]