Seltene Domino-Spende rettet zwei Leben

Ein Herz bekommen, ein Herz gespendet

Alexandra Schneider ist kurz nach der Geburt ihres zweiten Sohnes schwer erkrankt. Eine Herz-Lungen-Transplantation rettete ihr Leben. Das Besondere: Auch ihr Herz wurde einem Kranken implantiert.

Wenn man Alexandra Schneider (38) glücklich mit ihren Sohn herumtollen sieht, glaubt man nicht, was die Salzuflerin durchgemacht hat. Ende 2009 erkrankte sie schwer – doppelseitige Lungenentzündung, Schwächeanfälle, viele Krankenhausaufenthalte, aber keine konkrete therapierbare Diagnose.

„Ich war ein Sonderfall. Niemand konnte sagen, was ich habe, und daher konnte mir auch niemand helfen“, erklärt Schneider. Nach einer langen, schmerzhaften Odyssee, mit Luftnot und der Notwendigkeit, immer eine „externe Lunge“ in Form eines schweren Geräts mitzuführen, wurde sie als Notfall im Juni 2012 in die Medizinische Hochschule (MH) Hannover eingeliefert.

Man stellte ein elf Millimeter grosses Loch im Herzen und eine pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH, Lungenhochdruck) fest. Nach Ansicht der Ärzte konnte nur eine schnelle Herz-Lungen-Transplantation Alexandra Schneiders Leben retten. Die junge Mutter, ausgezehrt, vom Cortison aufgequollen und von starken Schmerzen gezeichnet, hatte sie nur einen Wunsch: Zusammen mit Ehemann Ulrich die beiden Kinder aufwachsen zu sehen.

„Ich hatte keine Angst vor der Transplantation – ich wusste ja nicht, was mich erwartet. Ich war immer für Organ- und Knochenmarkspenden, auch wenn ich nie damit gerechnet haben, dass es mich selbst einmal als Empfänger betrifft“, erzählt sie. Sie kam auf die Warteliste, und dann ging alles ganz schnell. „Ich habe mich von meiner Familie verabschiedet, denn ich musste in der Klinik warten. Niemand konnte mir sagen wie lange das dauern wird“, erzählt die junge Mutter.

Doch nur drei Tage später, am 18. Juni 2012, war es wie durch ein Wunder soweit. Ein passender Organspender war gefunden, Herz und Lungen standen bereit. Kurz vor der lebensrettenden OP gab es eine weitere Überraschung: „Die Ärztin fragte mich, ob ich mir vorstellen kann, mein Herz zu spenden. Ich war perplex“, erinnert Schneider sich. Das Loch im Herzen konnte zwar nicht in ihrem Körper operiert, dafür aber auf dem OP-Tisch „repariert“ und dann transplantiert werden. „Diese besondere Form der Transplantation einer Lebendspende nennt man Dominospende. Bei einem Herz ist es sicher eine Rarität, die nur unter sehr speziellen Gegebenheiten möglich ist“, erklärt Stefan Zorn, Pressesprecher der MH Hannover.

Zwei Jahre nach der Transplantation geht es Alexandra Schneider wieder gut, obwohl sie täglich rund zwei Dutzend Tabletten nehmen und auf eine keimfreie Ernährung achten muss. „Trotzdem ist mein Leben wieder lebenswert“, erklärt die Bad Salzuflerin. „Ich bin meinem Mann und guten Freunden sehr dankbar für die Unterstützung in den letzten Jahren. Ich habe lernen müssen, Hilfe anzunehmen, und kann jedem nur empfehlen, sich frühzeitig an Fachärzte zu wenden.“

Dadurch, dass ein Mensch sich zu Lebzeiten entschieden habe, nach dem Tod seine Organe zu spenden, könne sie weiterleben. „Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen für eine Organspende entscheiden und so nach ihrem Tod Leben schenken“, lautet der Appell der 38-Jährigen.

Wenig Spender, viele wartende Patienten

Aufgrund einiger Skandale ist die Organspendebereitschaft in den letzten Jahren in Deutschland immer weiter zurückgegangen. Waren es 2012 noch 1.046 Spender, erklärten sich 2013 nur 876 Menschen zur postmortalen Organspende bereit. Dagegen stehen fast 11.000 Menschen auf den Wartelisten für ein lebensrettendes Organ. Die Wartezeit für eine Transplantation kann mehrere Jahre dauern. Jedes Jahr sterben 1.000 Menschen, weil Organe fehlen.

Unter Eurotransplant werden Spenderorgane und mögliche Empfänger auf der Warteliste aus den Benelux-Staaten, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn erfasst und bei der Vergabe berücksichtigt. Am häufigsten werden Herz, Leber und Nieren transplantiert. Jeder Mensch sollte einen Organspendeausweis bei sich tragen und genau festlegen, ob und welche Organe er spenden möchte, um Angehörigen die Entscheidung auf dem Sterbebett zu ersparen. Organspende-Ausweise gibt es in Apotheken, beim Arzt und unter www.organspende-info.de.

[@uelle: T. WATERMANN]