Schwangerschaft

Schwangerschaft und Herz

Fast jede junge Frau, ob gesund oder krank, verspürt früher oder später den Wunsch nach einem eigenen Kind. Die Sorge und Angst, dass man als Mädchen/Frau mit einem Herzfehler auf etwas Wichtiges im Leben verzichten muss, lässt oft frühzeitig bei den Betroffenen, den Eltern der Mädchen und den Lebenspartnern die Frage auftauchen: Darf ich/sie schwanger werden? Werde/Wird ich/sie ein gesundes Kind zur Welt bringen können? Selbst wenn die Empfehlung der Ärzte bei chronisch-herzkranken Frauen aus medizinischen Gründen manchmal „nein“ lautet, kommt es vor, dass Patientinnen trotzdem irgendwann stolz in der Praxis oder Klinik erscheinen und verkünden: „Ich bin schwanger.“ In solchen Fällen kommt es leider häufig zur Fehlgeburt oder die werdende Mutter gerät selbst in eine lebensbedrohliche Situation.

In diesem Artikel sollen die Möglichkeiten und Grenzen für eine Schwangerschaft herzkranker Frauen aufgezeigt werden. Denn nur wer die Gefahren kennt, kann sie vermeiden und schwierige Situationen meistern.

Was bedeutet eine Schwangerschaft für das gesunde Herz-Kreislauf-System?
Bereits in der 6. Schwangerschaftswoche beginnen die Umstellungen im Herz-Kreislauf-System. Gesteuert werden diese Veränderungen durch vielfältige Hormoneinflüsse. Das Blutvolumen nimmt in den folgenden Wochen der Schwangerschaft zu und erreicht zwischen der 30. Schwangerschaftswoche und der Geburt ihren Höhepunkt. Eine schwangere Frau hat zu diesem Zeitpunkt 50 % mehr Blutvolumen in ihrem Körper als eine nichtschwangere Frau. Das bedeutet, das Herz-Kreislauf-System muss in jedem Moment dieses Mehr an Blut transportieren. Der Blutdruck, die Herzfrequenz und die Atemfrequenz nehmen allmählich zu, damit diese Mehrarbeit kontinuierlich geschafft werden kann.

Mit dem Einsetzen der Wehen steigen Blutdruck, Herzfrequenz und Herzzeitvolumen noch einmal deutlich an. Ca. ½ Liter Blut wird in die Gefässperipherie freigesetzt. Während der Geburt und nach der Entbindung wird dem Gefässsystem durch Uteruskontraktionen und Kompression der unteren Hohlvene eine grössere Menge Blut zugeführt. Nach der Entbindung und im Wochenbett sinken alle Werte wieder auf ihre Ausgangbasis. Der Kreislauf ist erst nach ca. 4 Wochen wieder normal. Schwangerschaft und Entbindung bedürfen deshalb ein gut funktionierendes Herz-Kreislauf-System.

Vergleichen kann man den Prozess des Mutterwerdens mit einer körperlich-schweren, sportlichen Leistung, auf die sich der Organismus während der Schwangerschaft allmählich einstellt. Der Unterschied zur sportlichen Herausforderung ist lediglich, dass es nicht möglich ist, Erholungspausen einzulegen, wenn es zu anstrengend wird. Eine Schwangerschaft ist jedoch keine Krankheit. Der Körper richtet sich darauf ein und schafft diese Herausforderung.

Kinderwunsch

Was sollten Frauen mit angeborenen Herzfehlern bei Kinderwunsch beachten?
Jede junge Frau mit einem angeborenen Herzfehler sollte ihren Körper kennen und wissen, was ihr Herz leisten kann. Sobald Kinderwunsch besteht, muss mit dem behandelnden Spezialisten für angeborene Herzfehler die individuelle Gesundheitssituation besprochen werden. Es ist erforderlich, dass eine umfassende Herz-Kreislaufuntersuchung mit einer Belastungsuntersuchung (Spiroergometrie), bei schweren Herzfehlern zusätzlich eine Magnetresonanztomographie und/oder eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden.

Danach kann der Arzt eine gezielte Beratung vornehmen, alle Risiken aufzeigen und eine Empfehlung geben. In den meisten Fällen kann dann ein Betreuungsplan für die Zeit der Schwangerschaft und Entbindung aufgestellt werden, der in enger Zusammenarbeit mit den Geburtshelfern erfolgen muss. Nur in wenigen Fällen wird der Arzt raten, vor Eintritt der Schwangerschaft einen interventionellen oder operativen Eingriff durchführen zu lassen, um die Herz-Kreislaufsituation zu verbessern.

Risiken

Jeder Herzfehler hat seine pathomorphologischen und funktionellen Besonderheiten. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Schwangerschaft möglich ist, sind nicht nur Art des Herzfehlers sondern auch die durchgeführten katheterinterventionellen und chirurgischen „Reparaturen“. Abhängig vom individuellen Krankheitsverlauf kann die Herz-Kreislauffunktion normal, leicht oder sogar schwer eingeschränkt sein. Deshalb muss vor einer Schwangerschaft der betreuende Spezialist für angeborene Herzfehler (Kinderkardiologe/Kardiologe) die individuelle Herz-Kreislauffunktion und Leistungsfähigkeit der Frau beurteilen. Nur so lassen sich die Risiken für Mutter und Kind einschätzen, die mit einer Schwangerschaft und Geburt verbunden sein können.

Ernsthafte Gefahren für Patientinnen mit angeborenen Herzfehlern, die durch eine Schwangerschaft auftreten können, sind:

  • Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz),
  • Herzrhythmusstörungen,
  • plötzlicher Bewusstseinsverlust (Synkope),
  • Entzündung der Herzklappen (Endokarditis),
  • Bildung von Thromben und Embolien,
  • Hirnabszess,
  • Zunahme der Zyanose,
  • Einriss in der Hauptschlagader,
  • Einriss von Gefässerweiterungen an den grossen Gefässen oder im Gehirn oder
  • plötzlicher Herztod.

Typische Gefahren für das Kind sind:

  • Fehlgeburt,
  • Frühgeburt,
  • Mangelgeburt.
Risiken nach Herzfehlerschwere

Leider kann bei einigen Patientinnen das Risiko, dass sich durch Schwangerschaft bzw. Geburt die Herz-Kreislaufsituation stark verschlechtern bzw. sogar für Mutter und/oder Kind tödlich verlaufen kann, sehr hoch sein. Dann wird der Arzt darauf hinweisen und von einer Schwangerschaft abraten. Auch wenn so eine Nachricht sehr „hart“ ist, werden die meisten Frauen die Empfehlung befolgen, wenn sie die Zusammenhänge verstanden haben. Wer springt schon freiwillig ohne Fallschirm aus dem Flugzeug?

Die folgende Tabelle stellt eine Übersicht einiger Herzfehler und deren Schwangerschaftsrisiken dar. Man darf auf keinen Fall nur den Herzfehler betrachten und daraus selbständig ablesen, ob eine Schwangerschaft ohne Gefahr möglich ist. Das kann fatale Folgen haben. So kann z. B. eine Frau mit einem ganz einfachen Herzfehler wie einen verschlossenen Vorhofseptumdefekt, bei der aber eine Herzmuskelschwäche zurückgeblieben ist, während der Schwangerschaft und Geburt lebensgefährlich herzinsuffizient werden. Andererseits werden immer mehr Frauen mit schweren Herzfehlern betreut, wo man noch vor Jahren glaubte, dass sie keine Schwangerschaft austragen können.

Verhütung

Was ist geboten, um eine lebensbedrohliche Schwangerschaft zu umgehen?
Eine sichere Schwangerschaftsverhütung ist unumgänglich. Gemeinsam mit dem Gynäkologen muss die Antikonzeption besprochen werden. Die hormonelle Verhütung (Pille) wird von einigen Frauen sehr gut vertragen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass ein erhöhtes Risiko für Thromben besteht. Die Spirale verhindert eine Schwangerschaft sehr sicher, stellt jedoch ein Endokarditisrisiko dar. Das Einsetzen der Spirale sollte nur unter Antibiotikaschutz erfolgen. Die sicherste Methode ist eine Sterilisation. Auf Grund des Narkoserisikos bei schweren Herzfehlern sollte der Eingriff nur in einer auf Risikopatienten spezialisierten gynäkologischen Einrichtung in enger Zusammenarbeit mit einem Zentrum für angeborene Herzfehler durchgeführt werden.

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