Pulmonale Thrombendarteriektomie

Einleitung

Die pulmonale Thrombendarteriektomie stellt in der Behandlung der chronischen, thromboembolisch bedingten, pulmonalen Hypertonie ein noch eher ungewöhnliches chirurgisches Vorgehen dar. Jedoch kann mit dieser Operation eine unmittelbare Verbesserung der pulmonalen Hypertonie geschaffen und deren Spätfolgen verhindert werden.

Patienten mit sekundärer pulmonaler Hypertonie werden bislang nur selten zur Operation überwiesen, zum einen, weil das Ausmass der Veränderungen an der pulmonalen Strombahn häufig unterschätzt wird und die Effektivität der chirurgischen Behandlung noch zu wenig bekannt ist.
Die Ursache der pulmonalen Hypertonie aufgrund thromboembolischer Ereignisse wird eher als die Ausnahme eingestuft, die Inzidenz ist jedoch wahrscheinlich viel höher als allgemein angenommen wird, wobei genaue Zahlen nicht vorliegen. Die Mehrzahl der Lungenembolien sind asymptomatisch und bleiben daher unerkannt. Deshalb bleibt auch die Grosszahl der Fälle mit pulmonaler Hypertonie solange unentdeckt, bis die Rechtsherzinsuffizienz zu intensiverer Diagnostik Anlass gibt.
Die Häufigkeit akuter Lungenembolien wird in Autopsiestudien mit 5–30% angegeben, die massive Thrombose einer Lappenarterie mit etwa 1%. Das bedeutet, dass die akute Lungenembolie eher häufiger auftritt und asymptomatisch bleibt, aber doch einen Trigger darstellen kann für chronische Veränderungen an der Lungenstrombahn, die dann zur pulmonalen Hypertonie führen. Die meisten Überlebenden einer akuten Lungenembolie zeigen eine Lyse des Thrombus ohne Folgeerscheinung, aber eben nicht alle. In einer gewissen Anzahl organisiert sich der Thrombus zu einem verdickten, fibrösen und okklusiven Wall, der in das Gefässlumen hervorragt bzw. dieses verschliesst. Aufgrund dieser Flussbehinderung in der Pulmonalarterie entwickelt sich diese sekundäre pulmonale Hypertonie.

Diagnostik

Die klinische Diagnose der thromboembolisch bedingten pulmonalen Hypertonie ist schwierig. Die Patienten werden erst in einem fortgeschrittenen Stadium symptomatisch, eben dann, wenn es zu einer zunehmenden Rechtsherzbelastung kommt und aufgrund dieser eine erweiterte Diagnostik durchgeführt wird. Tiefe Beinvenenthrombosen werden ebenso wie durchgemachte Lungenembolien nur in höchstens 50% der Fälle angegeben, welche später einer Pulmonalisendarteriektomie unterzogen wurden. Die ersten diagnostischen Schritte sind eher vom Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie gelenkt. Die klinischen Zeichen können sehr diskret sein, zumal die Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz erst in einem späten Stadium transparent werden.
Tatsächlich weisen viele Patienten in Ruhe noch normale Pulmonalisdrucke auf, haben aber unter Belastung eine schwere pulmonale Hypertension. Das Röntgenthoraxbild kann zumindest in den Anfangsstadien normal sein, erst im Spätstadium treten Vergrösserungen der rechten Herzabschnitte, Erweiterung und selten auch Verkalkung der Pulmonalarterien und fehlende Gefässzeichnung der Lungenfelder auf. Echokardiographisch kann eine Rechtsherzvergrösserung mit Septumhypertrophie und Trikuspidalklappeninsuffizienz frühzeitig erkannt werden.
Das Ausmass der Trikuspidalklappeninsuffizienz ist ein guter Verlaufsparameter in der Entwicklung der pulmonalen Hypertonie.
Nach Diagnosestellung einer pulmonalen Hypertonie ist die Lungenperfusionsszintigraphie hilfreich, vor allen Dingen zur Abgrenzung der primären und sekundären pulmonalen Hypertonie.
Die primäre pulmonale Hypertonie weist eher ein mottenfrassähnliches Muster auf, im Gegensatz zu den multiplen lobären oder segmentalen Ausstanzdefekten bei der sekundären pulmonalen Hypertonie. Obwohl die Lungenszintigraphie hilfreich ist zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose einer thromboembolisch bedingten pulmonalen Hypertonie, so wird das Ausmass der Pulmonalarterienverschlüsse meist unterschätzt.
Der diagnostische goldene Standard ist unzweifelhaft die Rechtsherzkatheteruntersuchung mit der Möglichkeit der Druckmessung und Sauerstoffsättigung sowie der Pulmonalisangiographie.

Medikamentöse Therapie

Die sekundäre pulmonale Hypertonie ist das Resultat von chronischen Gefässverschlüssen durch Thromben, welche fibrotisch umgebaut werden und ein mechanisches Hindernis darstellen. Aus diesem Grunde ist weder die Antikoagulation oder die Gabe von Vasodilatantien effektiv.
Die medikamentöse Therapie muss sich auf die Behandlung der Rechtsherzinsuffizienz mit Diuretika begrenzen und der Antikoagulation zur Verhinderung der lokalen Thrombenbildungen bzw. Embolisation.
Die Überlebensrate ist bei rein medikamentöser Therapie als schlecht einzustufen und geht proportional mit dem Ausmass der pulmonalen Hypertonie einher. Bei einem mittleren Pumonalarteriendruck von über 30 mm Hg ist die 5- Jahres-Überlebensrate um 30%, bei einem Pulmonalismitteldruck über 50 mm Hg nur noch 10%. Deshalb sollte bei vorhandener pulmonaler Hypertonie als Folge rezidivierender pulmonaler Hypertonien frühzeitig die Indikation zur Operation gestellt werden.
Bei Patienten über 45 Jahren wird präoperativ zusätzlich immer eine Koronarangiographie durchgeführt.

Operation

Die operativen Möglichkeiten sind entweder die Lungentransplantation bzw. Herz-Lungentransplantation oder die pulmonale Endarteriektomie. Obwohl bei dieser Erkrankung die Lungentransplantation noch immer angewendet wird, halten wir sie eigentlich für unangebracht.
Die Resultate der Transplantation müssen analysiert werden vor dem Hintergrund, dass Patienten auf der Warteliste versterben, dem perioperativen Risiko, den hohen Kosten, den Folgen der chronischen Immunsuppression mit dem Risiko von Infektion und Abstossung für den Rest des Lebens. In erfahrenen Händen ist die 1-Jahres-Überlebensrate nach Transplantation bei etwa 80% mit weiterer Reduktion in jedem folgenden Jahr.
Die pulmonale Thrombendarteriektomie ist eine chirurgische Therapie, die zusammen mit dem Patienten geplant werden kann und die dauerhaft kurativ bleibt. Bislang sind nur sehr wenige Fälle beschrieben, bei denen eine zweite pulmonale Thrombendarteriektomie durchgeführt werden musste, wobei die Gründe dafür immer an einer inkompletten Erstoperation, einer insuffizienten postoperativen Antikoagulation oder einem insuffizienten Vena-cava-Filter lagen.
Wenn auch historisch bedingt diese Operation weiter als «pulmonale Thrombendarteriektomie (PTE)» bezeichnet wird, wäre die «Pulmonale Endarteriektomie» eine bessere und genauere Bezeichnung. Das soll heissen, dass in den seltensten Fällen bei dieser Operation ein Thrombus gefunden wird, sondern der Operationserfolg in der exakten Endarteriektomie der Intima und Teile der Media und damit in der Entfernung aller fibrösen Elemente liegt.
Aus der grossen Erfahrung an der «University of California, San Diego (UCSD)», ist aus chirurgischer Sicht diese Form der pulmonalen Hypertonie in drei Typen eingeteilt worden:

Typ 1 (etwa 20% aller Fälle):
Dieser zeigt einen Thrombus, welcher schon bei Eröffnung der Pulmonalarterie sichtbar wird. Dieser wird zunächst entfernt und dann die eigentliche Endarteriektomie angeschlossen.

Typ 2 (etwa 70% der Fälle):
Bei diesem Typ ist kein Thrombus im Hauptast vorhanden, man sieht nur die verdickte Intima mit teilweise netzartigen Veränderungen. Die Endarteriektomie beginnt dabei im Hauptgefäss oder der Lobararterie (s.Abb).

Rönthenbild
a Das Pulmonalis-Angiogramm weist die peripheren Ausfälle nach.
Thrombus
b Operationspräparat des obigen Patienten.
Chirurgisch Typ 2. Kennzeichnend ist das Fehlen eines grossen Thrombus bei diesem Typ.

Typ 3 (etwa 10% der Fälle):
Dieser stellt die schwierigste chirurgische Form dieser Erkrankung dar.
Die Veränderungen sind sehr weit distal gelegen in den Segment- bzw. Subsegmentarterien. Dieser Typ wird häufiger gesehen bei zentral venösen Dauerkathetern oder bei liegenden Schrittmacherelektroden.
Die Veränderungen an den Pulmonalgefässen sind mit ganz wenigen Ausnahmen immer beidseitig.
Eine pulmonale Hypertonie wird auch nur dann symptomatisch, wenn beide Seiten befallen sind.
Der operative Zugang ist die mediane Sternotomie, um so beide Seiten erreichen zu können.
Der Einsatz der Herz-Lungenmaschine ist essentiell, zum einen für die kardiorespiratorische Stabilität, zum anderen zur Etablierung des hypothermen Kreislaufstillstandes, welcher für eine exakte Pulmonalisendarteriektomie fundamental wichtig ist. Da nach völligem Verschluss von Pulmonalarterien das Lungenparenchym durch die bronchialarterielle Versorgung variabel bleibt, entwickeln diese Patienten einen hohen Bronchialfluss; deshalb kann eine gute Übersicht nur im Kreislaufstillstand erreicht werden.
Es ist wichtig, die obere Hohlvene zirkulär freizupräparieren, ebenso die Aorta ascendens, um nach Einsetzen eines speziellen Retraktors die rechte Pulmonalarterie soweit als möglich darzustellen.
Die Arterie wird danach exakt in der Mitte längs inzidiert, wobei die Inzision nach distal etwa 1 cm vor Abgang der Mittellappenarterie endet. Falls vorhanden, wird zunächst das aufgelagerte thrombotische Material entfernt und anschliessend die Endarteriektomie vorgenommen. Meist lässt sich die Endarteriektomie einer Seite in einer Stillstandszeit vom 20–30 Minuten durchführen, danach sollte für wenigstens 20 Minuten reperfundiert werden, während dessen die Pulmonalarterie rekonstruiert werden kann.

In einer zweiten Stillstandphase wird dann die linke Pulmonalarterie endarteriektomiert, wobei hier die Inzision noch im Pulmonalishauptstamm beginnt und in die linke Pulmonalarterie fortgeführt wird. Nach Abschluss der Endarteriektomie wird der kardiopulmonale Bypass wieder aufgenommen und der Patient aufgewärmt. Normalerweise dauert dieser Prozess 90–120 Minuten. Während der Aufwärmphase wird der rechte Vorhof inzidiert und inspiziert, um ein eventuell vorhandenes offenes Foramen ovale oder einen Vorhofseptumdefekt zu verschliessen. Die Rekonstruktion der insuffizienten Trikuspidalklappe ist nicht nötig, da es nach der Endarteriektomie zu einer Normalisierung der Pulmonalisdrucke kommt und das rechtsventrikuläre Remodeling schon innerhalb weniger Tage eintritt und damit die Trikuspidalklappe wieder kompetent wird. Insgesamt beträgt die Operationsdauer etwa 7 Stunden mit einer extrakorporalen Zirkulationsdauer von 4–5 Stunden.

Ergebnisse

Seit 1990 wurden an der «University of California » in San Diego 1275 pulmonale Endarteriektomien durchgeführt. Die Mortalität beträgt bei den letzten 1000 Fällen 6%, das mittlere Patientenalter liegt bei 52 Jahren (von 14–85 Jahren).
Ein Drittel der Patienten hatte einen zusätzlichen kardialen Eingriff: Verschluss eines offenen Foramen ovale oder einem Atriumseptumdefekt (ASD) (26%); koronare Bypassoperation (8%); Herzklappenersatz (1,5%). Durchschnittliche Operationsdauer 7 Stunden mit einer Bypasszeit von 245 ± 45 Minuten, einer Ischämiezeit von 97 ± 25 Minuten und einer durchschnittlichen Dauer des hypothermen Kreislaufstillstandes für die bilaterale pulmonale Thrombendarteriektomie von 35 ± 13 Minuten.

Postoperative Behandlung

Die postoperative Behandlung ist ähnlich der nach Routineeingriffen am Herzen mit einer Ausnahme, dass direkt postoperativ eine forcierte Diurese eingeleitet wird und der Hämatokrit auf wenigstens 30% gehalten werden sollte. Alle Patienten werden für 24 Stunden nachbeatmet, wobei die Zugvolumina höher zu wählen sind als bei Patienten nach Herzoperationen.

Postoperative Morbidität

Eine Hauptkomplikation der Patienten nach pulmonaler Thrombendarteriektomie stellt der Reperfusionsschaden dar, der bei einem kleineren Patientenklientel als sogenanntes Reperfusionsödem auftritt. Etwa 10% aller Patienten entwickeln dieses Reperfusionsödem in stärkerem Ausmass in den ersten postoperativen Tagen, wobei dieses Ödem meist auf Bezirke beschränkt bleibt, die endarteriektomiert wurden. In diesen Fällen bedarf es einer verlängerten Nachbeatmungszeit, teilweise sind diese Patienten nur durch die extrakorporale Membranoxigenation zu verbessern.
Die mittlere Verweildauer der Patienten mit Reperfusionstrauma beträgt 35 Tage (39 ± 24 Tage). Neurologische Komplikationen durch den Kreislaufstillstand sind bei Einhaltung des hypothermen Kreislaufstillstandes von unter 30 Minuten und einer entsprechenden Reperfusionszeit mit 1,3% angegeben, wie sie auch im Rahmen der Routine-Herzchirurgie beschrieben wird. Postoperative Blutungen mit notwendiger Revisionsoperation traten in 2,5% der Fälle auf und nur in 50% aller Eingriffe waren intra oder postoperativ Fremdblutgaben notwendig. Wundheilungsstörungen oder Sternuminstabilitäten bzw. Sternuminfektionen und Mediastinitis werden mit 1,8% beschrieben.

Hämodynamik

Eine Reduktion der pulmonalarteriellen Drucke und des pulmonalen Gefässwiderstandes auf Normwerte tritt unmittelbar postoperativ auf, dies wiederum bedingt eine Verbesserung des pulmonalen Blutflusses und Erhöhung des «cardiac output».
Sind die Patienten präoperativ noch zu 95% in einem NHYA-Stadium III–IV, befinden sich ein Jahr postoperativ 95% im NYHA-Stadium I und II. Postoperative echokardiographische Kontrolluntersuchungen weisen nach, dass es durch die Eliminierung der chronischen Druckbelastung recht schnell zu einer Normalisierung der rechtsventrikulären Geometrie kommt, und damit die Trikuspidalklappeninsuffizienz meist völlig verschwindet.

Quintessenz:
  • Die sekundäre pulmonale Hypertonie, hervorgerufen durch rezidivierende Lungenembolien, ist eine Erkrankung, die von ihrem Ausmass her sicher unterschätzt wird. Die Prognose dieser Erkrankung ist unbehandelt schlecht, die medikamentöse Therapie ist langfristig ineffektiv und schafft nur vorübergehend eine symptomatische Verbesserung. Die effektive Therapieform der thromboembolisch bedingten pulmonalen Hypertonie stellt die Lungentransplantation oder die pulmonale Thrombendarteriektomie dar. Die Vorteile der pulmonalen Thrombendarteriektomie sind eine geringere Operationsmortalität und exzellente Langzeitergebnisse ohne die Risiken der chronischen Immunsuppression und der chronischen Abstossungsreaktion.
  • Die Mortalität für diesen Eingriff beträgt 5–7%.
  • Die pulmonale Thrombendarteriektomie ist eine technisch anspruchsvolle Operation und erfordert eine exakte Dissektion der Pulmonalarterien. Sicher hat diese Operation ihre eigene «learning curve», aber sie bietet andererseits eine kurative Therapieform mit exzellenten Kurz- und Langzeitergebnissen.
  • Dies bedeutet, dass alle Patienten mit einer pulmonalen Hypertonie, bei denen eine organische Ursache, wie Klappenvitien, Shunt auf Vorhofebene, Linksherzinsuffizienz oder eine Obstruktion der Pulmonalgefässe von aussen ausgeschlossen ist, einer weitergehenden Diagnostik unterzogen werden sollten, um diesen Patienten mit thromboembolisch bedingter Hypertonie einer kurativen chirurgischen Therapie zuführen zu können.

Copyright:
W. Brett(a), S.W. Jamieson(b), H.-R. Zerkowski(a)
(a) Universitätsklinik Basel, Klinik für Herz-und Thoraxchirurgie
(b) University of California, San Diego, Division of

Cardiothoracic Surgery Korrespondenz:
Dr. med. Wolfgang Brett
Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Universitätsklinik
Spitalstrasse 21
CH-4031 Basel

NOVA Schweiz Med Forum Nr. 34 22. August 2001