Pulmonale Hypertonie im Kindesalter
Die pulmonale Hypertension ist eine seltene, progressiv verlaufende Erkrankung multifaktorieller Ätiologie. Infolge anfangs unspezifischer Symptome vergehen oft Jahre bis zur Diagnosestellung.
Die pulmonale Hypertension (PH) ist durch eine Zunahme des Lungengefässwiderstandes und eine Steigerung des mittleren pulmonal-arteriellen Druckes auf über 25mmHg in Ruhe oder 30mmHg unter Belastung gekennzeichnet. Hauptsymptome sind Belastungsdyspnoe, Thoraxschmerzen, Schwindel und im fortgeschrittenen Stadium Synkopen bei körperlicher Aktivität als Zeichen einer Einschränkung des Herzzeitvolumens. Die Zweijahresmortalität lag zu Beginn der 1990er Jahre noch bei 50%. Dank der Entwicklung neuer Behandlungsoptionen in den letzten zehn Jahren hat sich die Prognose deutlich verbessert. Während in den 1980er Jahren mit chronisch intravenösem Prostazyklin ein grosser therapeutischer Durchbruch eingeleitet wurde, sind in den vergangenen Jahren orale und inhalative Therapien der PH entwickelt worden. Danach haben sich auch die therapeutischen Algorithmen geändert. Entscheidend für die Prognose und Therapie ist die korrekte diagnostische Zuordnung der Erkrankung nach der rezenten Venedig-Klassifikation.
Pathogenese
Trotz der Verschiedenheit der PH Formen scheinen drei Hauptfaktoren für den erhöhten Widerstand im pulmonalen Kreislauf verantwortlich zu sein: Vasokonstriktion, Remodelling der pulmonalen Gefässwand und Thrombose in situ. Es liegt eine Störung der normalen Balance zwischen Vasodilatatoren und Vasokonstriktoren, zwischen Wachstums-Inhibitoren und mitogenen Faktoren und zwischen antithrombotischen und prothrombotischen Determinanten vor. Der vasokonstriktorische Mediator ThromboxanA2 überwiegt gegenüber dem natürlich vorkommenden vasodilatierenden Prostazyklin. Die Synthese von Stickstoffmonoxid ist herabgesetzt. Bei Patienten mit idiopathischer PH konnten ausserdem erhöhte Spiegel des Vasokonstriktors Serotonin im Plasma und ein verminderter Gehalt von Serotonin in den Thrombozyten nachgewiesen werden, was durch Mutationen im Serotonin- Transporter-Protein begründet sein könnte. Histologisch besteht das einheitliche Bild eines obliterativen vaskulären Remodellings der Lungenarterien. Konzentrische Intimafi- brose, Hypertrophie der Media sowie Fibroblastenproliferation der Adventitia, Thromben in den kleinen Pulmonalgefässen und so genannte plexiforme Läsionen kleine glomerulumartige Gefässballen stellen ein für alle PH-Formen in mehr oder weniger starker Ausprägung vorhandenes Muster dar. Aus Studien an PH-Familien wurde erkannt, dass die molekularbiologische Grundlage dieser Histopathologie ein gestörter TGF-beta Signaltransduktions- Apparat ist. Bei den hypoxischgetriggerten PH-Formen dürfte der Verlust der Voltage-abhängigen Kaliumkanäle relevant sein. Drei Schlüsselmechanismen, die in abnormer Proliferation und Kontraktion der glatten Muskelzellen in der Wand von pulmonalen Widerstandsgefässen (Gefässe unter einem Durchmesser von 500µm) eine Rolle spielen, beruhen auf Veränderungen in der Expression und Funktion von Endothelin, Stickoxid und Prostazyklin. Hierin liegen die molekularen Angriffspunkte für Therapien.
Besonderheiten im Kindesalter
Die PH im Kindesalter ist in Einzelheiten von der PH des Erwachsenenalters zu unterscheiden. Wesentliche Unterschiede sind in der Tabelle zusammengefasst. Im Kindesalter sind es vorwiegend kongenitale Erkankungen des respiratorischen oder des kardiovaskulären Systems, die zu einer PH führen. Auch kongenitale Malformationen kommen als Ursachen einer PH im Kindesalter in Frage. In der Neonatalperiode steht die Persistierende Pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN) im Vordergrund. Im Kleinkind- und Schulkindalter überwiegt die PH in Assoziation mit Herzvitien, wobei hier den Shuntvitien die grösste Bedeutung zukommt. Auch pulmonalvenöse Obstruktionen kommen als Ursachen für PH vor. Das Eisenmenger Syndrom als Ausdruck einer fixierten pulmonalen Hypertension bei nicht korrigierten Shuntvitien manifestiert sich bei älteren Kindern und Jugendlichen. Auch pulmonale Erkrankungen, die mit einer chronischen alveolären Hypoxie einhergehen, können eine PH im Kindesalter zur Folge haben.
- Persistierende Pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN) Beim Feten ist eine pulmonalarterielle Druckerhöhung normal. Die postnatale Adaptation ist durch einen unmittelbar postnatal einsetzenden Abfall des pulmonalvaskulären Widerstands (PVR) gekennzeichnet. Dabei dürften erhöhte Konzentrationen von endogenem NO, PGI und Bradykinin eine Rolle spielen. Eine fehlende oder verzögerte postnatale Adaptation des Lungengefässsystems führt zum Auftreten einer PPHN. Die PPHN tritt mit einer Inzidenz von 0,43 bis 6,8 Fälle pro 1.000 Lebendgeburten auf und hat eine Mortalität von zehn bis 20%. Bei Ansprechen der Therapie hat die PPHN eine günstige Prognose und zeigt in der Regel eine vollständige Rekonvaleszenz. Die Ursachen einer PPHN können Unterentwicklung (zum Beispiel Lungenhypoplasie oder Dysplasie) sein oder Maladaptation und Fehlfunktion der Lungengefässe (wie zum Beispiel bei der kongenitalen Zwerchfellhernie). Eine intrauterin erworbene Maladaptation der Lungengefässe mit isolierter Mediahypertrophie ist in zahlreichen Tierversuchen beschrieben. Sie kann Folge chronischer intrauteriner Hypoxie sein oder nach chronischer Einnahme von Prostaglandinsynthesehemmern der Mutter auftreten. Auch perinatale Faktoren wie Hypoxie, Azidose, Hypothermie, Hypoglykämie, Aspiration oder Hämorrhagie können für eine fehlende postnatale Widerstandssenkung verantwortlich sein. Lungenschädigung durch ein Mekoniumaspirationssyndrom (MAS) bewirkt eine gesteigerte Thromboxan-Prostaglandin- Ratio. Bei gleichzeitiger Hypoxie wird der vasokonstriktorische Effekt von Thromboxan verstärkt.
- PH durch Herzvitien Herzfehler mit posttrikuspidalem L/R Shunt können durch gleichzeitige Volumen und Druckbelastung aus dem linken Ventrikel (VSD, AVSD) oder den systemarteriellen Gefässen (PDA, Truncus arteriosus communis) bereits im frühen Kindesalter zu einer PH führen. Das pulmonale Gefässbett reagiert auf den erhöhten hydrostatischen Druck und die Scherkräfte mit einer kompensatorischen präkapillären Vasokonstriktion. Gleichzeitig triggern die mechanischen Stressoren Hypertrophie der glatten Muskelzellen und Proliferation der Gefässwände. Bei prätrikuspidalen Shuntvitien steht die Volumenbelastung im Vordergrund. Lungengefässveränderungen werden hier erst im Erwachsenenalter beobachtet. Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten mit Vorhofseptumdefekt (ASD) ist schon im Kindesalter eine PH zu beobachten, die durch die Grösse des Shunts nicht zu erklären ist. Ähnliche Mechanismen treffen auch für pulmonalvenöse Obstruktionen zu, die über einen erhöhten Pulmonalvenendruck gemeinsam mit einer präkapillären Vasokonstriktion zu einer pulmonalen Hypertension führen. Abgesehen von einer angeborenen pulmonalvenösen Gefässerkrankung ist die PAH infolge Herzerkrankung (Venedig 2) durch rechtzeitige Korrektur linksseitiger Herzfehler reversibel.
- Eisenmenger-Syndrom Nicht korrigierte Shuntvitien führen über eine Eisenmenger-Reaktion zu Shuntumkehr und R/L Shunt. Die Physiologie dieses Symptomenkomplexes ähnelt dem fetalen Kreislaufzustand, mit gleichen Druckverhältnissen in beiden Ventrikeln. Die Prognose von Eisenmenger-Patienten liegt mit einer Zehn-Jahres-Überlebensrate von 80% signifikant über der von Patienten mit idiopathischer pulmonal-arterieller Hypertension (iPAH).
Therapie der PH im Kindesalter
- Konventionelle Therapie Als konventionelle Therapien bei PH sind alle Massnahmen ausser der Behandlung mit spezifischen Vasodilatatoren zu nennen. Das bedeutet eine orale Antikoagulation sowie die Gabe von Glykosiden oder Diuretika, aber ebenso auch körperliche Schonung. Sauerstoffgabe wird unterstützend in jedem Fall von PH empfohlen, auch bei kardialen Shunts oder bei in Ruhe normaler Sauerstoffsättigung. Alle therapeutischen Massnahmen zielen darauf ab, eine Hypoxie zu vermeiden und einen verbesserten pulmonalen Blut- fluss zu erreichen.
- Kalziumkanalblocker Diese sehr heterogene Gruppe von Substanzen verhindert den Kalziuminflux durch die langsamen Kalziumkanäle von Herz- und glatten Muskelzellen. Zu den Nebenwirkungen gehören Reizleitungsstörungen, negative Inotropie und eine reflektorische Steigerung des beta-adrenergen Tonus. Kalziumkanalblocker werden gegeben bei Patienten mit Responderstatus (PVR- und MPAPReduktion unter Vasodilatation >50% oder Senkung des Mitteldrucks >10mmHg oder <40mmHg im Mittel bei erhaltenem Herzzeitvolumen). Im Langzeitverlauf profitiert nur etwa die Hälfte der hämodynamischen Responder- Kinder von Kalzium-Antagonisten als Monotherapie, welche eine sehr kostengünstige Therapie darstellt.
- Prostaglandine Die Mediierung der Vasodilatation erfolgt durch die Aktivierung von spezi- fischen PGI2-Membranrezeptoren, die an das Adenylat-und Guanylatzyklasesystem gekoppelt sind. Andere Wirkungen, ebenfalls von spezifischen Rezeptoren mediiert, beinhalten die Inhibierung der Plättchenaktivierung und -aggregation, aber auch die Adhä- sion von Leukozyten an Endothelzellen. Prostazyklin hat eine Halbwertszeit von drei Minuten und muss daher parenteral verabreicht werden. Auch andere Prostazyklin-Analoga (Iloprost, 30 Minuten und Treprostinil, drei Stunden) eignen sich nur zur parenteralen oder inhalativen Gabe. Treprostinil in der subkutanen Darreichungsform verursacht lokale Schmerzen und Schwellungen und ist nur älteren Kindern zuzumuten.
- Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Mit Bosentan steht der erste am Markt zugelassene duale Endothelin-Rezeptor- Antagonist (ERA) für die orale Behandlung der PH zur Verfügung. Endothelin wird bei der PH vermehrt gebildet und fördert die Vasokonstriktion und das Remodelling der Pulmonalgefässe durch Bindung an Endothelinrezeptoren (ET-A- und ET-B-Rezeptoren). Bosentan kombiniert dabei vasodilatatorische mit antiinflammatorischen und antifibrotischen Wirkungen. In der randomisierten BREATHE-1-Studie an 213 Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) (PPH und Sklerodermie-assoziierte PH ohne Lungenfibrose) konnten statistisch signifi- kante Verbesserungen der körperlichen Belastbarkeit gezeigt werden. Die Wirksamkeit zeigte sich in einer Verlängerung der Gehstrecke im Sechs-Minuten- Gehtest um 44 Meter. Darüber hinaus verzögerte die Behandlung mit Bosentan signifikant die Zeit bis zur klinischen Verschlechterung, definiert als Therapieabbruch, Beginn einer Prostanoidtherapie, Hospitalisierung aufgrund der PH oder Tod, und führte zu einer signifikanten Verbesserung der funktionellen Klasse. Bosentan erwies sich bisher als gut verträglich, sicher und führte zu Verbesserung des Überlebens bei Patienten mit PAH. Rund vier bis sechs Prozent der in klinischen Studien mit Bosentan behandelten erwachsenen PAH-Patienten wiesen reversible Erhöhungen der Leberenzymwerte auf. Um eine effektive Therapie bei guter Verträglichkeit zu gewährleisten, muss daher eine Kontrolle der Transaminasen vor Behandlungsbeginn und anschliessend in monatlichen Abständen erfolgen. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Bosentan bei Kindern wurde in der BREATHE-3 Studie untersucht, die Dosierung erfolgte gewichtsadaptiert. Die Anwendung führte zu einer statistisch signifikanten Senkung des pulmonalarteriellen Druckes. Rezent hat die unpublizierte BREATHE-5-Studie Verbesserungen der Hämodynamik und des Sechs-Minuten-Gehtests bei Eisenmenger- Patienten dokumentiert. Selektive Endothelin-A-Rezeptorantagonisten (Sitaxentan, Ambrisentan) sind in klinischer Erprobung.
- Stickstoffmonoxid Stickstoffmonoxid (NO, oder endothelium- derived relaxing factor, EDRF) ist ein potenter Vasodilatator. NO aktiviert die Guanylatzyklase in pulmonalen glatten Gefässmuskelzellen, wobei es durch Anstieg von zyklischem Guanosin-Monophosphat (cGMP) und Abfall der intrazellulären Kalziumkonzentration zur Relaxation von glatten Muskelzellen kommt. Der Haupteinsatzbereich von NO im Kindesalter findet sich in der postkardiochirurgischen Intensivmedizin zur Therapie postoperativer pulmonalhypertensiver Krisen. Neugeborene mit kongenitaler Zwerchfellhernie und PPHN scheinen allerdings von NO nicht zu profitieren. In diesen Fällen stehen mechanische Beatmung und Surfactantgaben zur Erreichung eines optimalen Lungenvolumens mit adäquatem V/Q-Matching im Vordergrund der Therapie. Letztendlich bietet der Einsatz von ECMO noch immer eine Ultima Ratio bei NO-Therapieversagern. Da die NO-Verabreichung nicht einfach ist, wurden Medikamente entwickelt, die den Stickoxid-Mechanismus durch Hemmung des Abbaus und dadurch vermehrte Konzentration von cGMP ausnützen. Sildenafil, ein Phosphodiesterase- 5-Hemmer, wurde randomisiert an 278 Patienten mit PH eingesetzt. Ein Dosierungsschema von dreimal 20mg Sildenafil täglich über zwölf Wochen verbesserten die Hämodynamik signifikant, auch die funktionelle Klasse und den Gehtest um 45 Meter (unpublizierte Daten). Vorsicht ist jedoch bei parenchymatösen Erkrankungen (MAS) geboten. Systemisches Sildenafil kann hier über Vasodilatation nicht ventilierter Areale zu einer Verstärkung von V/Q-Mismatches mit Zunahme des intrapulmonalen R/L-Shunts und Hypoxämie führen.
- Kombinationstherapien Grundsätzlich ist die gleichzeitige, primäre Gabe zweier Medikamente von der Add-on-Therapie zu unterscheiden, bei der das zweite Medikament erst bei klinischer Verschlechterung dem ersten hinzugefügt wird. Es gibt derzeit eine einzige kontrollierte Studie über Kombinationstherapien. Bosentan wurde randomisiert als sofortige Addon- Therapie in Kombination mit Prostazyklin/ Epoprostenol im Rahmen der BREATHE-2-Studie untersucht. Die Daten waren nicht konklusiv. Während die Hämodynamik zugunsten der aktiven Kombinationstherapie verändert war, ergab sich kein Unterschied in der NYHA-Klasse und der Belastbarkeit. Eine unkontrollierte Studie zeigte einen Vorteil der Sildenafil Add-on bei Patienten, die sich unter Therapie mit Bosentan im Lauf der Zeit verschlechterten. Sildenafil wurde mit Beraprost kombiniert eingesetzt, allerdings in unkontrollierter Form. Es zeigte sich ein additiver günstiger Effekt der beiden Medikamente. Ein direkter Vergleich zwischen Sildenafil und Bosentan fiel zugunsten von Sildenafil aus, mit einer Verbesserung der Gehstrecke um 114 Meter versus 59 Meter unter Bosentan.
Zusammenfassung
Das zunehmende Verständnis der Pathogenese der PH hat mit der Entwicklung innovativer Medikamente neue Konzepte in der Behandlung der PH im Kindesalter eröffnet. Entscheidend dabei war die Erkenntnis, dass nicht nur pulmonale Vasokonstriktion, sondern auch vaskuläre Remodelling-Prozesse für die Erkrankung relevant sind. Verbesserte Lebensqualität und verlängertes Überleben sind Zielgrössen der neuen Therapien.
Literatur bei den Verfassern
Von Dr. Sulaima Albinni, Univ.-Prof. Dr. Manfred Marx, Dr. Diana Bonderman und Univ.-Prof. Dr. Irene Lang