PPH bei einem Kind mit primär sklerosierender Cholangitis

Diagnostik und Verlauf vor und nach Lebertransplantation

Die primäre pulmonale Hypertension ist eine seltene, prognostisch ungünstige und ätiologisch ungeklärte Erkrankung.

Sie ist charakterisiert durch einen pathologisch erhöhten Lungengefässwiderstand ohne vorbestehende Herz und Lungenerkrankung oder rezidivierende Thrombembolien. Eine Assoziation der pulmonalen zur portalen Hypertonie ist beschrieben, wobei die Existenz portosystemischer Shunts pathogenetisch entscheidend sein dürfte. Mit einer mittleren Überlebenszeit von etwa 1 Jahr ab Diagnosestellung ist die Prognose der Patienten mit dieser Assoziation besonders schlecht.

Berichte über primäre pulmonale Hypertonie bei portaler Hypertension sind uneinheitlich und beziehen sich fast ausschliesslich auf erwachsene Patienten.
Wir diskutieren die Diagnostik und aktuelle therapeutische Überlegungen am Beispiel eines Mädchens mit primär sklerosierender Cholangitis, das bereits ab dem 10.Lebensjahr eine pulmonale Hypertension entwickelte und im Alter von 12 Jahren lebertransplantiert wurde.

Kasuistik

Die Patientin wurde termingerecht in Kasachstan geboren (Geburtsgewicht 2650 g). Sie litt bereits seit der Säuglingszeit unter einem Ikterus wechselnder Intensität, ab dem 2. Lebensjahr zusätzlich unter zunehmendem Juckreiz und körperlicher Schwäche.

Umfangreiche Untersuchungen fanden ab dem 7. Lebensjahr nach Übersiedlung nach Deutschland statt. Das Kind war ikterisch und dystroph mit dysproportioniert grossem Abdomen.
Es bestanden eine mässige Erhöhung von Transaminasen und cholestaseanzeigenden Enzymen (GPT 34 U/l, gGT 101 U/l), eine deutliche hepatische Funktionseinschränkung (Cholinesterase 1.800 U/l, Quick 48%, Bilirubin 7,2 mg/dl) sowie eine Panzytopenie als Ausdruck des Hyperspleniesyndroms (Leukozyten 2300/µl, Thrombozyten 54.000/µl,Hämoglobin 8,9 g/dl).

Sonografisch erschien die Leber grobknotig, die Milz massiv vergrössert, dopplersonografisch liess sich kein Pfortaderfluss nachweisen. In der direkten Portografie wurde die Pfortaderthrombose mit deutlicher Kollateralenbildung bestätigt. Die Ausprägung der portofugalen Kollateralgefässe nahm bei sonografischen Kontrollen im Verlauf rasch weiter zu.
Der histologische Befund einer Leberbiopsie war unspezifisch (periportale Fibrose, mässige Cholestase). Die Labordiagnostik ergab keinerlei Hinweise für eine Virus- oder Autoimmun-hepatitis oder einen hepatischen Stoffwechseldefekt.

Den diagnostisch entscheidenden Befund erbrachte die endoskopische retrograde Cholangiografie, bei der sich das intrahepatische Gallengangsystem mit multiplen Stenosierungen im Wechsel mit lakunären Erweiterungen darstellte, so dass eine primär sklerosierende Cholangitis diagnostiziert wurde.
Im 10. Lebensjahr fiel erstmals eine Rechtsherzbelastung im EKG auf. Ein Jahr später kam es im Rahmen eines Luftwegsinfekts zu Palpitationen, schlechter Belastbarkeit und radiologisch nachweisbarer Kardiomegalie, weshalb der Hausarzt vorübergehend mit Digoxin behandelte. Echokardiografisch fanden sich jetzt vergrösserte rechtskardiale Dimensionen, der geschätzte rechtsventrikuläre Druck war mit 45 mmHg deutlich erhöht.

Im 12. Lebensjahr wurde aus klinisch stabilisiertem Zustand heraus die orthotope Lebertransplantation durchgeführt.
Das Explantat war grobknotig zirrhotisch. Unter einer Standardimmunsuppression mit Cyclosporin A und Prednisolon waren Leberfunktion und -perfusion durchweg normal.

Postoperativ fiel ein deutlich erhöhter zentralvenöser Druck ( > 12mmHg) bei massiver Kardiomegalie und neu aufgetretener Trikuspidalinsuffizienz auf. Dopplersonografisch wurde jetzt der rechtsventrikuläre Druck fast auf Systemdruck geschätzt (95 mmHg). Konventionelle Röntgenaufnahmen und Spiral-CT des Thorax ergaben keine Anhaltspunkte für eine zugrundeliegende pulmonale Erkrankung.
Bei einer Herzkatheteruntersuchung bestätigte sich die schwere pulmonale Hypertension (rechtsventrikulärer Druck systolisch 87 mmHg, pulmonalarterieller Druck 82/34 mmHg), und angiografisch zeigte sich ein deutlicher Kalibersprung zwischen zentralen und peripheren Anteilen des pulmonalarteriellen Gefässbaums. Der auf 14 Wood-Einheiten/m2 erhöhte Lungengefässwiderstand liess sich durch 100% Sauerstoffatmung auf 5,5 Wood-Einheiten/ m2 senken, während Diltiazem (5 mg i. v.) lediglich zu einem Absinken des systemischen Blutdrucks führte. In einer offen entnommenen Lungenbiopsie zeigten sich eine fokale Mediahypertrophie kleiner Arterien, ein sklerosierendes Intimaödem mit weitgehender Lumeneinengung sowie eine angedeutete plexiforme Läsion, so dass die Diagnose einer primär pulmonalen Hypertonie gesichert war.

Die Patientin wurde mit kontinuierlicher O2-Gabe, Diuretika und Nifedipin behandelt, wobei sie letzteres nur in einer Dosierung von 0,4 mg/kg Körpergewicht und Tag tolerierte; eine Dosissteigerung führte zur symptomatischen systemarteriellen Hypotonie. Bis zur Entlassung am Tag 70 nach der Transplantation war der dopplersonografisch geschätzte rechtsventrikuläre Druck auf 50–60 mmHg zurückgegangen. Unter Fortführung der O2-Therapie und der Nifedipinmedikation zu Hause betrug der rechtsventrikuläre Druck 10 Monate post transplantationem etwa 45 mmHg, entsprechend dem Befund vor der Transplantation. Eine darüber hinausgehende Besserung war bisher nicht festzustellen.
Die Patientin blieb subjektiv nur eingeschränkt belastbar, mit Herzklopfen und Schwindelgefühl bei Belastung, bisher jedoch ohne Synkopen.

Im 11.Monat nach der Transplantation entwickelte sich als unabhängige Komplikation eine eitrige Cholangitis im Transplantat mit protrahierter septischer Erkrankung der Patientin, so dass der Verlauf der hier geschilderten Problematik seither nicht mehr überlagerungsfrei beurteilt werden kann. Eine signifikante Änderung der kardiologischen Befunde ist jedoch bisher, nach weiteren 12 Monaten, nicht eingetreten.

Diskussion

Der vorgestellte Fall demonstriert die Assoziation einer primären pulmonalen Hypertonie mit einer schweren, über Jahre bestehenden portalen Hypertension bei frühkindlicher progressiver Lebererkrankung. Nach ersten kardialen Symptomen 1 Jahr zuvor kam es im Rahmen der orthotopen Lebertransplantation im Alter von 12 Jahren zu einer kritischen Verschlechterung mit Anstieg des rechtsventrikulären Drucks fast auf Systemdruck. Bei durchweg guter Leberfunktion hat die Patientin innerhalb 1 Jahrs nach der Transplantation einen kardiopulmonalen Status erreicht, der wieder dem Stand vor der Transplantation entspricht.

Die primäre pulmonale Hypertension wird klinisch durch einen pathologisch hohen pulmonalarteriellen Gefässwiderstand ohne vorbestehende Lungen-, Herz- oder Thrombembolieerkrankung definiert. Zugrunde liegt ihr eine pulmonale Angiopathie mit Lumeneinengung kleiner Arterien bzw. Arteriolen durch Mediahypertrophie, Intimafibrose und sog. plexiforme Läsionen. Hierbei handelt es sich um Einsprossungen kleinster Gefässe und Fibroblasten in das Gefässlumen im Sinn eines pathologischen Reparaturprozesses nach Endothelschaden. Diese histologischen Befunde wies auch unsere Patientin auf. Die Prävalenz der primären pulmonalen Hypertension in der Gesamtbevölkerung liegt < 0,1%, unter Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung dagegen bei bis zu 4%. Ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Leberinsuffizienz und dem Auftreten einer pulmonalen Hypertension besteht offenbar nicht. Leberkranke Patienten haben in Einzelfällen erst nach chirurgischer Anlage dekomprimierender Shunts eine pulmonale Hypertension entwickelt, und auch unter Patienten mit prähepatischer portaler Hypertension (Pfortaderthrombose, Pfortaderhypoplasie) und somit primär gesunder Leber ist die Inzidenz der pulmonalen Hypertonie erhöht. Pathogenetisch entscheidend scheint daher die Existenz portosystemischer Shuntverbindungen zu sein. Über diese können vasoaktive Substanzen aus dem portalen Stromgebiet (z. B. Serotonin, Thromboxan A2, Endothelin 1) die hepatische Clearance umgehen und die pulmonale Vasokonstriktion verursachen. Eine genetische Disposition im Sinn einer Hyperreagibilität des pulmonalen Gefässsystems ist möglicherweise zusätzlich erforderlich und der Grund dafür, dass letztlich nur ein kleiner Teil der Patienten mit portalem Hochdruck eine pulmonale Hypertension entwickelt.

Diese Assoziation ist abzugrenzen vom viel häufigeren hepatopulmonalen Syndrom, bei dem es im Zug einer Lebererkrankung zur intrapulmonalen Vasodilatation mit Ventilations-Perfusions-Mismatch und Hypoxämie kommt, jedoch nicht zu einer Druckerhöhung im kleinen Kreislauf.

Einziges fast obligates Symptom der primären pulmonalen Hypertension ist eine Belastungsdyspnoe. Zusätzliche Beschwerden (Schwindel, Synkopen) kommen nur in etwa 1/3 der Fälle hinzu, so dass die Erkrankung klinisch über lange Zeigt unbemerkt bleiben kann – zumal bei Patienten, die sich schon wegen der Schwere ihrer Lebererkrankung nur noch gering belasten können.Wegweisende Basisuntersuchungen sind das EKG (Rechtshypertrophie, Rechtsschenkelblock) und die Thoraxröntgenaufnahme (Prominenz des Pulmonalsegments,Kardiomegalie). Eine Hypoxämie besteht, im Gegensatz zum hepatopulmonalen Syndrom, nicht.

Entscheidendes Diagnostikum ist die Echokardiografie (rechtsventrikulärer Druck, Myokardkontraktilität, Ausschluss eines strukturellen Herzfehlers). Die Herzkatheteruntersuchung bei manifester Druckbelastung des rechten Ventrikels ist mit einem erhöhten Risiko belastet (akute Dekompensation, schwere Rhythmusstörung), ermöglicht aber neben der Druckmessung im kleinen Kreislauf die kontrollierte Testung des Ansprechens auf Sauerstoff und Vasodilatanzien. Als Akuttherapie nach Rechtsherzdekompensation sowie zur Verhinderung einer solchen unter grösseren Eingriffen (z. B. Lebertransplantation!) wurde in Einzelfällen eine NO-Beatmung durchgeführtoder Prostazyklin, Prostaglandin E oder Adenosin venös oder über einen Pulmonaliskatheter appliziert. Eine Abnahme der rechtsventrikulären Druckbelastung stellt sich unter Prostazyklin bei etwa 2 von 3 Patienten ein, und vermutlich profitieren nur diese von einer Dauerbehandlung mit Kalziumantagonisten im Sinn einer subjektiven Beschwerdeminderung und einer verlängerten Überlebenszeit. Allerdings tolerieren die Patienten – wie im vorgestellten Fall – die Vasodilatanzientherapie häufig schlecht, da sie im Zug der Grunderkrankung bereits einen niedrigen peripheren Widerstand haben und unter Vasodilatation kollaptisch werden können.

Insgesamt ist die Prognose aller Formen der primären pulmonalen Hypertension mit mittleren Überlebenszeiten von 2–3 Jahren ab Diagnosestellung schlecht. Die Patienten versterben im Rechtsherzversagen oder durch Sekundenherztod nach Rhythmusstörung bzw. Infarkt. Da die Überlebensprognose für die Assoziation pulmonale/ portale Hypertonie noch geringer ist (mittlere Überlebenszeit ab Diagnosestellung 1 Jahr, wurde grosse Hoffnung in die Transplantation als möglicherweise kausale Therapie gesetzt. Der Versuch einer Lungentransplantation ohne Lebertransplantation führte zu einem Rezidiv der pulmonalen
Gefässveränderungen im Lungentransplantat. Ausser einem erfolgreichen Radikalansatz mit Leber-Herz- Lungen-Transplantation wurden Fälle publiziert, in denen eine pulmonale Hypertonie nach alleiniger Lebertransplantation verschwand.
Andererseits wurden auch das Ausbleiben einer Besserung – wie im hier vorgestellten Fall – sowie fatale Verläufe durch eine unbeherrschbare Verschlechterung der pulmonalen Hypertonie nach Lebertransplantation mitgeteilt, und es ist wahrscheinlich, dass mögliche weitere Fälle einer ausbleibenden Besserung in der Literatur
nicht vollständig mitgeteilt wurden. Insgesamt ist in Anbetracht der geringen Zahl der publizierten Fälle ungeklärt, wie gross die Erfolgsaussichten sind, mit einer Lebertransplantation neben der Lebererkrankung auch eine zusätzlich vorhandene primäre pulmonale Hypertension zu sanieren.

Die dargestellte Kasuistik zeigt, dass bei Kindern mit portaler Hypertonie durch regelmässige Verlaufskontrollen mit EKG, Röntgenthorax und Echokardiografie gezielt nach Hinweisen auf eine beginnende pulmonale Hypertension als einer potentiell fatalen Komplikation gesucht werden muss. Zur Diagnosesicherung und zum Austesten des Therapieansprechens ist eine Herzkatheteruntersuchung erforderlich, eine Lungenbiopsie bei eindeutiger Befundkonstellation jedoch nicht.Vor operativen Eingriffen sollten betroffene Patienten vorbehandelt werden, und spezielle Notfallmassnahmen müssen vorbereitet sein (Prostazyklin- und/oder Nifedipininfusion,Möglichkeit zur NOBeatmung).

Ob in dieser Patientengruppe die Indikation zur Lebertransplantation in der Hoffnung auf eine Besserung der pulmonalen Hypertension früher als nach den sonst geltenden Regeln gestellt werden sollte, ist gegenwärtig unklar.
Es besteht jedoch sicher keine Indikation für eine alleinige Lungen- oder eine Herz-Lungen-Transplantation ohne Lebertransplantation.
Herr Priv.-Doz. Dr. med. Behrens, Universitätskinderklinik Erlangen, hat die Patientin über lange Zeit betreut und uns freundlicherweise zahlreiche Befunde und die zur Verfügung gestellt.

Herrn Prof. Dr. H. C. Kallfelz, Frau Dr. I. Luhmer und Frau Dr. R. Kaulitz, Pädiatrische Kardiologie der MHH, danken wir für die klinische Mitbetreuung und Diskussion, Frau Dr. Kaulitz zudem für die kritische Durchsicht dieses Manuskripts. Herrn Dr.
Wilken, Kinderarzt in Hof, verdanken wir Befunde kinderkardiologischer Verlaufskontrollen.

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