Mit diesem Bericht möchte ich die Entscheidungsfindung eines CTEPH Patienten bei einer geplanten PEA-Operation erleichtern und unterstützen.
Dabei habe ich die emotionale Ebene und meine inneren Stimmungen hervorgehoben.
Der jeweiligen Situation angepasst, sind meine Gedankengänge und persönlichen Fragestellungen dargelegt. Meine Aufzeichnungen gleichen daher eher einer Erlebnisschilderung als einem Op.-Bericht, deren Technik ich dabei in den Hintergrund gestellt habe.
Zusammenfassung:
Am 9.7.2008, fast zeitgleich mit meinem 70. Geburtstag, wurde ich von Herrn Prof. E. Mayer aus Mainz in der Uni-Klinik Gießen mit einer pulmonalen Endarteriektomie erfolgreich operiert. Die Einverständniserklärung zu dieser doch sehr anspruchsvollen Op. fiel mir zuerst nicht ganz leicht, aber letztendlich galt es, die Op.-Risiken mit der dauerhaften Rechtsherzschwächung bei der CTEHP trotz einer konservativen medikamentösen Behandlung in Relation zu stellen. Wenn die Lungen-Befunde dann eine Operation nach der Meinung des Chirurgen als aussichtsreich dargestellt werden, ist dies aus meiner Sicht der einzig richtige Schritt. Meine Krankengeschichte reicht bis 1990 zurück, wo erstmals für meine Atemnot bei Belastung multiple rezidivierende Lungenembolien auf Grund einer Thrombose als Ursache ermittelt wurden. 2005 traten erneut Lungenembolien auf. Die konservative Behandlung brachte keine Besserung. Erst nach einer stationären Kontaktaufnahme in der Uni-Klinik Gießen halfen mir die Sauerstofflangzeittherapie und die Anwendung von Revatio weiter. Entscheidend war aber, dass die Uni-Klinik Gießen mit Herrn Prof. Mayer in Verbindung steht, wodurch dann diese Operation erst ermöglicht und mir neue Perspektiven meiner Lebensgestaltung eröffnet wurden.
Meine Krankengeschichte und Krankheitsbild:
Zu meiner Person: Jahrgang 1938, verheiratet, 3 Kinder, ich komme aus der Steiermark in Österreich, nach dem Studium an der Montanuniversität in Leoben war ich im Qualitätsmanagement der deutschen Stahlindustrie tätig. Ich bin (war) begeisterter Freizeitsportler als Bergsteiger, Schifahrer und Waldläufer, aber auch mit dem Fahrrad unterwegs, ebenso aktiv in der Volleyball-Altherrenmannschaft. Die Konfrontation mit der pulmonalen Hypertonie traf mich besonders hart. Auf einmal ging nichts mehr, alles war anstrengend, das Aufstehen, Duschen und Anziehen. Die kleinste Belastung führte zu Atemnot und Erschöpfungszuständen, das Treppensteigen wurde zur Qual, ich war immer müde und musste mich auf ein eng begrenztes Betätigungsumfeld zurückziehen.
Eigentlich bin ich ein Wiederholungstäter. 1990 hatte ich in der rechten Wade eine Thrombose, die ich komplett überging, weil ich als Sportler diesen Schmerz als Zerrung deutete. Allerdings hatte ich ein paar Monate später Probleme bei unserem Lauftreff mit Atemnot beim Bergauflaufen, was ich so nicht kannte. Ganz extrem wurde es dann bei einer Schitourenwoche auf der Essen-Rostockerhütte im April 1991.Daraufhin meldete ich mich zu einer stationären Grundsatzuntersuchung auf der Kardiologie in der Uni-Klinik Bochum Bergmannsheil an, mit nachfolgendem Ergebnis: Sauerstoffaustauschstörung auf Grund multipler rezidivierenden Lungenembolien, die auf eine Thrombose im rechten Bein (Wade und Oberschenkel) zurückzuführen war. Eine Antikoagulationsbehandlung mit Marcumar führte bald zu einer Verbesserung meiner Atemnot unter Belastung. Nach 18 Monaten setzte ich das Marcumar ab, da im Szintigramm eine weitgehende Auflösung der Embolien festgestellt werden konnte. Allerdings hatte ich nach 2 Jahren erneut Luftprobleme bei körperlicher Belastung, wieder brachte eine Marcumarbehandlung über 12 Monate Besserung. Ich konnte auf die Einnahme von Marcumar verzichten und nahm als Präventivmaßnahme ASS 100 dauerhaft ein.
Im März 2005 traten erneut extreme Probleme mit Atemnot bei Belastung auf, die dann zum Abbruch unseres Skiurlaubes in Les Menuires (Frankreich- 3-Täler) führten. Ein Arztehepaar unserer Skigruppe riet zur sofortiger Heimreise und Einleitung einer Marcumarbehandlung. Zusätzlich wurde mir von Frankreich aus gleich ein Termin beim Radiologen besorgt. Der Szintibefund zeigte dann wieder multiple Embolien. Da ich im linken Bein ein Kribbeln in den Venen spürte, ließ ich die Venen durchmessen. Eine ergänzend durchgeführte Phlebographie ergab eine nicht ganz frische Thrombose im linken Bein, obwohl ich keine Schmerzen hatte und auch keine irgendwie geartete Schwellung festgestellt wurde. Ein halbes Jahr später zeigte sich im Szinti-Kontroll-Befund eine Verschlechterung, d. h. es haben sich trotz Antikoagulation zusätzlich neue Embolien gebildet, ein Abbau hat also nicht stattgefunden. Mein Lungenfacharzt wies mich sofort zu einer 14 tägigen stationären Untersuchung auf die Pneumologie der Uni-Klinik Bochum Bergmannsheil ein. Die Untersuchungen führten zu folgendem Ergebnis: postkapilläre pulmonale Hypertonie, rez. multiple Lungenembolien, Ausschluss koronarer Herzkrankheit, arterielle Hypertonie. Zur konservativen Behandlung wurde die Antikoagulation mit Marcumar fortgesetzt und mit ASS 100, sowie mit blutdrucksenkenden Medikamenten (Ramipril und Meprolol) ergänzt.
Ein Therapievorschlag mit Bosentan nach einer ambulanten Vorsprache im Herzzentrum der Uni-Klinik Essen wurde von mir auf Anraten meines damaligen Hausarztes vorerst zurückgestellt. Nachdem meine Belastbarkeit sich verschlechtert hatte, versuchte ich den Therapievorschlag mit Bosentan ab Nov. 2006 in Absprache mit meinem Lungenfacharzt und unter Aufsicht meines Hausarztes zu erproben. Ich konnte keine Verbesserung meiner Atemnot bei Belastung feststellen, dafür bekam ich massive Wassereinlagerungen im Gewebe, auch die Leber- und Nierenwerte verschlechterten sich, so dass die Bosentantherapie abgebrochen wurde. Mit der Einnahme von Torasemid gingen zuerst die Wassereinlagerungen zurück, traten dann aber erneut auf und konnten auch durch eine Erhöhung der Dosis auf 20 mg nicht zurückgeführt werden. Zwischenzeitlich begann ich im Nov. 2006 mit einer Sauerstofflangzeittherapie, zuerst nur nachts, später auf 12 16 Stunden/Tag.
Die körperliche Belastbarkeit verschlechterte sich weiter erheblich, ich ging kaum mehr außer Haus. Zusätzlich litt ich nun unter einer totalen Appetitlosigkeit. Ich war dann froh, dass ich im Nov. 2007 einen Termin für die P.H.-Ambulanz an der Uniklinik in Gießen bekam. Wegen meines schlechten Zustandes wurde ich sofort in die stationäre Aufnahme übernommen. Mit Lasix- Infusionen wurde ich erstmals entwässert, die Gewichtsabnahme betrug dann immerhin 10 kg. Danach erfolgten eingehende Untersuchungen u.a. mit hochauflösender CT-Aufnahmen, Rechtsherzkatheder und Focussuche auf versteckte Krebserkrankungen als Ursache für die Thrombosen (Magen-, Darmspiegelung, Thorax-CT, Prostata). Mit einer neuen Einstellung der Medikamente bezüglich Antikoagulation, Einsatz von Schleifendiuretika und Revatioanwendung, sowie 24-Stunden Sauerstoffsubstitution wurde ich entlassen. Ich konnte schnell eine leichte Verbesserung meiner Belastbarkeit feststellen, immerhin war 3 Monate später bei der ersten Kontrolluntersuchung der 6-Minuten-Gehtest mit 350 m ganz gut.
Vorbereitung:
Als ich das erste Mal von einem chirurgischen Eingriff in der Therapie der pulmonalen Hypertonie CTEPH etwas gehört hatte, dann war das die Lungentransplantation als ultima Ratio, aber unter der Endarteriektomie konnte ich mir gar nichts vorstellen. Mein Lungenfacharzt sprach zwar ein Mal von Herauskratzen von Thromben aus der Lunge mit einer komplizierten Operation, aber seine Rücksprache bei der zuständigen Chirurgie in Essen brachte keine Anhaltspunkte. Außerdem wurden mir im November 2005 rezidivierende postkapilläre Embolien ausgewiesen, die schon längst vernarbt sein müssten. Die CT-Aufnahmen im November 2007 in der Universitätsklinik in Gießen ließen dann aber die Feststellung offen, ob bei mir möglicher Weise eine Endarteriektomie in Frage kommt. Dazu wurde Prof. Mayer aus Mainz konsolidiert mit dem Ergebnis, eine pulmonale Angriographie durchzuführen. Zwischenzeitlich fand ich auch eine Literaturstelle (pph. Selbsthilfegruppe Schweiz, Scheich), wo diese Operationstechnik gut beschrieben wurde. Das dies keine Blinddarmoperation ist, war mir schon klar. Als ich aber las, dass dieser Eingriff eine hochkomplizierte Kiste ist, mit Brustkorböffnung, Anschluss an die Herz-Lungenmaschine, Aufschlitzen der Lungenaterie, Absenkung der Körpertemperatur auf 18 °C, Abschälen der Arterienwand, mit zeitweiligen totalen Stillständen erfolgt, da bekam ich schon weiche Knie. Ich dachte: hoffentlich geht dieser Kelch an dir vorbei. Es war mir auch bewusst, dass dabei allerhand passieren kann und für den Chirurgen höchste Anforderungen gestellt werden.
Die Ergebnisse der pulmonalen Angriographie bei mir zeigten dann Befunde, die für eine Operation als sehr gut eingestuft wurden.
Ich durfte bei Herrn Prof. Mayer in Mainz vorsprechen. Dieses Gespräch hatte für mich eine zentrale Bedeutung. Die Art und Weise, wie Prof. Mayer die Operationstechnik allgemein verständlich, ohne Zeitdruck, aber mit menschlicher Zugänglichkeit erklärte, hatte mich sehr beeindruckt. Es wurden die Op.-Risiken sehr wohl auch angesprochen, aber die zu erwartenden Erfolgsaussichten sind mit einer 90%-igen Verbesserung der Lungentätigkeit enorm. Ich habe erfahren, dass durch die Öffnung von verschlossenen Lungenarterien dahinterliegende Bereiche wieder aktiviert werden können. Ich darf sagen, dass ich sofort volles Vertrauen in Herrn Prof. Mayer als Operateur fand, zumal dieser Eingriff von ihm schon über 400-mal vorgenommen wurde.
Die Entscheidung für eine Op-Zusage muss aber letztendlich jeder für sich selbst treffen.
Also gilt es die Risiken der Operation mit den Risiken der pulmonalen Hypertonie und der daraus resultierenden dauerhaften Rechtsherzschwächung und Verschlechterung in Relation zu stellen. Wenn man dies konsequent durchdenkt, führt kein Weg an dieser Operation vorbei, vorausgesetzt, man hat das Glück, dass die Befunde es zulassen und ein erfahrener Operateur den chirurgischen Eingriff durchführt. Wenn man ein wenig Ahnung von mathematischer Statistik hat, dann weiß man, dass bei einer Mortalitätsrate von 5 % bei dieser Op. ,wie in sehr guten Op.-Zentren angegeben, die Überlebenschancen mit 95 % eine 2 Sigma-Streuung (doppelte Streuung einer Normalverteilung) abdeckt. Jeder Wahrscheinlichkeitstest wird in diesem Fall das Eintreten des Exodus-Ereignisses als gesichert ausschließen. Sicherlich muss man in den Randbedingungen noch eventuelle gesundheitliche Schwachstellen (Herzerkrankungen z.B.) einfließen lassen, die zu erhöhten Risiken führen, aber selbst in diesem Fall würde ich mich auf die Erfahrungen von Prof. Mayer verlassen und einer Op. zustimmen. Auf diese Überlegungen aufbauend, gab ich meine Einverständniserklärung zur Operation ab. Ich stand zu dieser Entscheidung und hatte ab sofort auch keine Angst mehr. Ich ging mit vollem Optimismus und innerlich gestärkt nach Gießen zur Op.
PEA-OP. und Krankenhausaufenthalt
Mein OP.-Tag wurde in Absprache mit Herrn Prof. Mayer auf den 9.07.2008 in der Uni-Klinik Gießen auf der Herz- und Gefäßchirugie festgelegt. Als Einberufungsbefehl in das Krankenhaus wurde der 7.07.2008 fixiert. 10 Tage davor hatte ich die Marcumar- und ASS 100-Einnahme abgesetzt und mit Heparinspritzen das Thromboserisiko ausgeglichen. Es folgten die üblichen Eingangsuntersuchungen, wie EKG, Röntgen und Bestimmung der Blutwerte. Zusätzlich wurde mittels Ultraschall die Herztätigkeit kardiografisch untersucht. Der Mittelwert des pulmonalen Blutdruckes lag bei 75 mm Hg. Die Arterien der Halsschlagadern wurden mittels Ultraschall abgetastet, mit dem Hintergrund einen Zugang für Bluttransfusionen zu schaffen. Einen Tag vor dem chirurgischen Eingriff erfolgte noch die Durchführung eines Linksherzkatheders, wobei eine KHK ausgeschlossen werden konnte. Ein wenig Angst einflössend war dann das Gespräch des Narkosearztes mit dem Hinweis auf die mir bereits bekannten O.p.-Risiken (Lähmungen, Gedächtnisschwund, Blutungen etc.). Neben dem bereits vorhandenen venösen 3-Wegehahn an der der rechten Hand, kamen planmäßig dann schon unter Narkose weitere Zugänge dazu, an der linken Hand war ein arterieller Zugang, an der rechten Leiste, sowie am Hals also noch 2 weitere Zugänge vorgesehen. Nicht nervös werden, das waren meine Gedanken hierbei. Ich willigte auch zu der Teilnahme an einer Studie ein, die mit Messungen des Durchlaufes von intravenös verabreichten Kochsalzlösungen eine Früherkennung von Reperfusionsödemen (Wassereinlagerungen in den wieder aktivierten Lungenbereichen) nach einer PEA in der Intensivstation ermöglichen könnte. Ich war der erste Patient in dieser Studie.
Am Vorabend gab es eine Ganzoberkörperrasur. Ich war also startklar. Ohne Angstgefühle verlief die Nacht, der Schlaf wurde zwar mehrfach unterbrochen, was allerdings üblicherweise bei mir auf das Anschwellen der Nasenschleimhäute und der Sauerstoffsubstition zurückzuführen war. Schon um 6 Uhr in der Früh wurde ich geweckt, ich sollte in aller Ruhe meine Morgentoilette durchführen und mit dem frisch angezogenen Op.-Hemd wurde ich dann pünktlich zum Op.-Saal gebracht. Die nächste Erinnerung bei mir sind die Worte des Arztes in der Intensivstation: Wir haben Sie jetzt wach gemacht, es ist allerdings nicht der Op.-Tag, sondern ein Tag später. Kurz darauf standen meine Frau und meine Tochter an meinem Krankenbett, bekleidet mit den grünen Umhängen der Intensivstation glichen sie keinen Engelgestalten und mit den Worten. Ich lebe ja doch noch habe ich sie begrüßt. Es ist alles gut gelaufen und es gab keine Komplikationen waren ihre Mitteilungen vom Vortag, Prof. Meyer hatte sie persönlich angerufen.
Ich lag also auf der Intensivstation, ein echtes Neuland für mich. Na, die haben Dich ja ganz schön verkabelt waren meine ersten Gedanken und ich wurde auf die Zugänge aus dem Gespräch mit dem Narkosearzt erinnert incl. Harnkatheder und die Elektroden für die Überprüfung der Herztätigkeit. Aus dem Op.-Bericht konnte ich später entnehmen, dass ich am ersten Tag nach der Op. extubiert wurde (Abschalten der Herz-Lungenmaschine). Dass der Zugang am Hals nicht umsonst war, lernte ich gleich mit der Verabreichung zweier Blutplasmakonserven kennen, weil der Hämoglobingehalt zu niedrig war. Ich fand dies aber trotzdem nicht schlimm, Schmerzen hatte ich kaum, klar spürte man das Brutstbein, vor allem, wenn man versuchte sich seitlich zu drehen, aber es war leicht auszuhalten. Ich war von Anfang an bestrebt, ruhig zu bleiben und mich darauf zu konzentrieren, Kräfte zu sparen und möglichst viel zu schlafen. Aus diesem Grunde verzichtete ich auch auf die Aufstellung eines Fernsehapparates. Hilfreich fand ich dabei, dass ich die Zeit und die Stunden an der großen Wanduhr im Zimmer verfolgen konnte. In der ersten wachen Nacht nahm ich eine gewisse Unruhe der Krankenschwester wahr, als der Sauerstoffpartialdruck bei 57 mm Hg lag. Ich musste bis zum Morgen eine geschlossene Sauerstoffmaske nehmen, ein wenig unangenehm, aber schon noch zu ertragen. Auch dabei half mir meine selbst aufgelegte Konzentration auf Ruhigstellung. Wie ich später aus dem Entlassungsbericht entnehmen konnte, trat ein Reperfusionsödem auf. Auch die Lasix-Infusionen zur Entwässerung waren nun verständlich. Insgesamt habe ich dann als Gewichtsverlust auf der Intensivstation 4,5 kg liegen lassen. Ich versuchte den Anweisungen des Pflegepersonals bzw. der Ärzte konsequent zu folgen und zu verstehen. Als harte Atemübung habe ich die Arbeit mit einer Atemmaske empfunden, wo über einer Dauer von 5 Minuten gegen den Widerstand des Gasvolumens ausgeatmet wird, was sich aber wohl auch sehr effektiv für die Lungentätigkeit auswirken soll. Ich fand es recht interessant, am Monitor seitlich hinter meinem Bett z.B. die Atemzüge oder die Sauerstoffsättigungsanzeige zu sehen. Mit gezieltem tiefen Einatmen durch die Nase und Ausatmung mittels Lippenbremse konnte der Sättigungswert gleich um 5% gesteigert werden.
Das erste Aufsitzen auf der Bettkante und dann der Wechsel auf den Stuhl neben dem Bett waren anstrengend, die Beine kamen mir wie zwei kraftlose Schläuche vor. Positiv empfand ich, dass ich das Krankenbett mit Motorhilfe nach meinem eigenen Belieben persönlich einstellen konnte. Es ging dann eigentlich alles planmäßig von statten. Am 5. Tag wurden die Drainageschläuche entfernt, ein Zugang nach dem andern wurde abgenabelt, eigentlich alles ohne Probleme und Schmerzen. Ich kam dann auf die normale Krankenstation, ich fühlte mich wohl sehr schlapp und war dann froh, dass meine Frau anwesend war und mir Hilfestellung leistete. Eine Woche nach meiner Operation kam Herr Prof. Mayer persönlich an mein Krankenbett und informierte mich über den Ablauf der Operation. Die Rechtsherzschwächung war stärker ausgeprägt, als das Bild der echokardiographischen Untersuchung darstellte. Es war also schon wichtig die Terminierung der Op. nicht auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Ich fand es ganz toll, dass ich nun meine Fragen über meine weitere Entwicklung stellen konnte und die Zusicherung bekam, bei vorsichtigem körperlichen Aufbau alles wieder machen zu können.
Die ersten Nächte war ich dann voll von innerer Unruhe erfasst. Eigentlich ist meine Art zu denken eher abstrakt und sachorientiert. Jetzt aber kreisten meine Gedanken immer um die gleichen Themen und mit Tränen in den Augen kam die Fragestellung: Ist es wirklich wahr, dass Du im nächsten Jahr auf Deine geliebten Berge wieder aufsteigen kannst? Ist es wirklich wahr, dass Du im Winter wieder mit dem Schifahren anfangen kannst? Ist es wirklich wahr, dass Du wieder mit dem Fahrrad unterwegs sein wirst, ist es wirklich wahr, dass Du bei einer Studienreise wieder mitmachen kannst? Ich konnte es einfach nicht realisieren, dass ich darauf bauen kann, meine alten Hobbies wieder aufnehmen zu können. Gleichzeitig erfasste mich eine hohe Aktivität neue Planungen aufzugreifen. Gedanklich wurden Briefe geschrieben, Termine fixiert, Entscheidungen vorbereitet, Prioritäten festgelegt, so wie in meinem früheren Berufsleben, als würde ich nach einem langen Urlaub, jetzt meine Tätigkeiten und Ziele in meinem Arbeitsbereich mit meinen Mitarbeitern neu ordnen.
Nach der ersten Nacht auf der Normalstation bin ich um 5 Uhr in der Früh aufgestanden, habe mich aus dem weit geöffneten Fenster gelehnt und die frische, kühle Luft mit tiefen Atemzügen ohne Sauerstoffsubstitution bewusst eingeatmet. Wann hast Du das das letzte Mal gemacht? War es auf einer Hüttentour in den Bergen? fragte ich mich. Der Himmel zeichnete sich gegen Osten mit leichter Rotfärbung der Wolken ab. Gleichzeit lauschte ich den erwachenden Vogelstimmen, zuerst waren es die Amseln, die ihre Futterplätze nun lautstark absteckten, dann die kleineren Vögel, deren Stimmen ich nicht zuordnen konnte, dann mischte sich eine gurrende Taube dazu. Es sind keine Kampfrufe, sondern friedliche Stimmen, die auch mich erfassten.
Die Tage gingen jetzt schnell vorbei, ich merkte, dass ich nicht mehr so wackelig bei der Morgentoilette stand. Die Gruppen-Therapiestunde machte ich gerne mit, allerdings war die Aufstehübung aus dem Sitzen für meine langen, aber kraftlosen Beinen ohne Abstützung mit den Armen zuerst nicht ganz leicht. Man muss halt mitdenken, dass das Brustbein als Bruchstelle geschont werden soll. Vor der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde auf der pulmonalen Ambulanz noch meine Herztätigkeit mittels Ultraschall untersucht und dabei ein mittlerer Druck in der Lunge von 33 mm Hg gemessen. Bei der Blutgasuntersuchung, die nach einem Tag ohne Sauerstoff gemacht wurde, lag ich allerdings mit meinem Sauerstoffpartialdruck zu niedrig, so dass ich wohl noch für eine Übergangszeit Sauerstoff-Zusatz aber auf 1,5 l/min reduziert nehmen musste.
Wo gab es Kritik aus meiner Sicht? Eigentlich muss ich sagen, dass ich in der Uni-Klinik Gießen gut versorgt und aufgehoben war. Als Kritikpunkt wäre die Ablauforganisation der Krankentransporte innerhalb des Klinik-Geländes von einer Station zur anderen Station, bedingt durch die umfangreichen Neubauaktivitäten zu nennen, wo es schon zu Wartezeiten von einigen Hesse-Minütchen (Stunde) kommen kann, obwohl Blitztaxis (Firmenname) im Einsatz sind. Auch Querinformationen können abteilungsintern verloren gehen, aber ein Hinterfragen gibt dann schnell Klarstellung.
Danksagung
Ich möchte mich bei allen Personen, die zum Gelingen zu dieser Op. beigetragen haben, ganz herzlich bedanken. Mein besonderer Dank und meine Anerkennung gelten natürlich Herrn Prof. Mayer mit seinem Op.-team aus der Gefäß- und Herzchirurgie von der Uniklinik Gießen, aber auch dem Pflegepersonal in der sehr guten postoperativen Behandlung. Bedanken muss ich mich aber auch bei den Ärzten von der P.H.-Ambulanz bzw. der Station 10 aus dem Bereich von Herrn Prof. Ghofrani, für ihre Betreuung und die durchgeführten Untersuchungen, deren Ergebnisse Herrn Prof. Mayer zur Beurteilung einer Op.-Möglichkeit weitergeleitet wurden. Ein Dankeschön aussprechen möchte ich aber auch meiner lieben Frau, die während des 14.-tägigen Krankenhausaufenthaltes in der Privatpension Wilhelma Quartier bezog und mich täglich betreute, sowie meinen Kinder Adelheid, Barbara und Martin, die mich in abwechseldender Reihenfolge mit den Enkeln aus dem Ruhrgebiet besuchten .
Kommentar von der 10-jährigen Enkeltochter Svea: Opi, wirst Du uns dann beim Schilaufen wieder davonfahren?…..
Nachtrag
Die Worte von Herren Prof. Mayer, alles wieder machen zu können, haben sich bewahrheitet. Bereits 10 Tage nach meinem Krankenhausaufenthalt fuhr ich mit dem Auto nach Villach in Kärnten und erholte mich zunehmend. Die ersten Spaziergänge in der Ebene wurden schrittweise auf 1-2 Stunden ausgebaut. Das Schwimmen am Ossiachersee ging erstmals ängstlich vonstatten, bald aber über mehrere 100 Meter. Der erste Fahrradausflug war mit 10 km am 9.8.08 angesetzt und bald darauf waren es 30 km mit einem Ausflug zum Faakersee. Ich fuhr wohl noch unter Sauerstoff-Substitution und mit Kontrolle der Herzfrequenz (Puls max. 120). Die erste Bergtour war ein Abstieg über 2 Stunden von der Schwarzseehütte zur Berglift-Mittelstation am 5.9.08. Es war nicht anstrengend, nur die Knie taten mir weh. Auf dem Gelände der Roßtratten-Höhenloipe auf 1700 m Seehöhe erprobte ich dann ohne Anstiege die Höhentauglichkeit. Zu unserem Lauftreff in Hattingen meldete ich mich am 3.Oktober mit 1 Stunde Walking zum Erstaunen meine Freunde zurück.
Drei Monate nach meiner Op. lag dann beim Kontroll-Untersuchungstermin in Gießen die Strecke des 6 Minuten-Gehtestes ohne Sauerstoff bei 490 m und der pulmonale Blutdruck wurde bei der echokardiologischen Untersuchung mit 30-35 mm Hg ausgewiesen. Meine Blutwerte normalisierten sich, der Sauerstoffpartialdruck lag in Ruhe bei 70 bis 80 mm Hg, die Sauerstoffsättigung wurde mit 96% gemessen. Auch unter sportlicher Belastung konnte ich nun auf den Sauerstoffzusatz ganz verzichten.
Im November 2008 führte ich eine dreiwöchige Reha an der Klinik Königstuhl-Heidelberg durch. Ich darf die Klinik gerne weiterempfehlen, da die Therapien p.H.-spezialisiert durch Herrn Prof. Dr. Grünig von der Thorax Klinik Heidelberg koordiniert werden. Mit Atemübungen z.T. mit Einzeltherapien, Gymnastik, Mentalem-Gehtraining, Intervalle am Fahrradergometer wurde meine Belastbarkeit gesteigert. Begleitend hierzu erfolgten spezielle Untersuchungen neben der Lungenfunktionsprüfung und Blutgasanalyse z.B. mittels MRT und Spiroergometrie. Der 6 Minuten-Gehtest lag nun bei 665 m.
Mein persönliches Trainingsprogramm habe ich jetzt mit der Atemtechnik erweitert, aber mit einer max. Pulsfrequenz von 125 sollten Übertreibungen vermieden werden. Am 25. Dez. 2008 stand ich erstmals in Begleitung meiner Familie wieder auf den Schiern. Allerdings ist meine Enkeltochter Svea in den letzten 3 Jahren verdammt schnell geworden, sie hat den etwas konditionsschwachen Opi leicht abgehängt und über die Huckel ist er auch nicht gesprungen!
Mit Schi- und Bergheil bin ich also in das neue Jahr 2009 gestartet und ich freue mich nun auf neue schöne Tourenziele in der näheren Zukunft.
[@uelle: Tritthart im Jänner 2009]