Welche Medikamente bei Lungenhochdruck helfen

Eine pulmonale Hypertonie lässt sich bislang nicht vollständig heilen. Doch wirksame Arzneimittel können den Patienten helfen?

„Achtung, jetzt pikst es!“, sagt Dr. Claus Neurohr, kurz bevor er die Betäubungsspritze setzt. Dann führt er die Sonde in die rechte Beinvene seiner Patientin ein und schiebt sie durch die rechte Herzkammer in die Lungenarterie. Einige Male überprüft er mithilfe von Röntgenbildern die Position des Instruments. Nach rund 40 Minuten hat er alle nötigen Messdaten gesammelt.

Seine Patientin leidet an Hochdruck in der Lungenarterie (fachsprachlich: pulmonale arterielle Hypertonie). Das ergab die Untersuchung mit dem Rechtsherzkatheter. „Mindestens genauso wichtig ist es für uns Ärzte, damit die Pumpleis­tung des Herzens zu überprüfen“, erklärt Neurohr, Pneumologe und Oberarzt am Lungenhochdruckzentrum der Universitätsklinik München. Presst die rechte Herzkammer zu wenig Blut in die Lunge, erhält der Körper nicht genug Sauerstoff.

Bei geringer Anstrengung in Atemnot

Die Betroffenen geraten dann bereits bei geringer Anstrengung in Atemnot. Müdigkeit, kurze Ohnmachtsanfälle und Herzstolpern treten ebenfalls häufig auf. Sie verschlimmern sich mit der Zeit, wenn der Patient nicht behandelt wird. Das Herz muss dann zu viel Arbeit leis­ten, um den Widerstand in den verengten Lungengefäßen zu überwinden. Dem Kranken droht der Tod durch Rechtsherzversagen.

Medikamente

Medikamente können den Lungenhochdruck zwar nicht heilen, aber die Beschwerden lindern und das Fortschreiten der Krankheit eindämmen. Harntreibende Mittel (Diuretika) entlasten das Herz und verhindern, dass zu viel Flüssigkeit in das Gewebe sickert. Zusätzlich zugeführter Sauerstoff lindert die Atemnot.

Zudem gibt es Medikamente, welche die Lungenarterie weiten und das Herz stärken. Dazu zählen klassische Blutdrucksenker, die in den Kalziumstoffwechsel eingreifen. „Sie wirken allerdings nur bei rund zehn Prozent der Patienten kurzfristig und nur bei fünf Prozent dauerhaft“, schränkt Neurohr ein. „Die unmittelbare Reaktion auf die­se Präparate überprüfen wir während der Herzkatheteruntersuchung.“ Wenn ein Patient darauf anspricht, sinkt innerhalb weniger Minuten der Druck in der Lungenarterie. Wer von den Kalziumkanal­blockern profitiert, sollte sie auch erhalten, denn diese Arzneimittel haben weniger Nebenwirkungen als die übrigen drei Wirkstoffgruppen und sind zudem preisgünstiger.

Die Mehrzahl der Patienten bekommt Endothelin-Rezeptor-Antagonisten oder PDE-5-Hemmer (PDE steht für das Enzym Phosphodiesterase) als Tabletten verschrieben. Die Wahl des Präparats hängt mit davon ab, welches der Patient am besten verträgt. So können Endothelin-Rezeptor-Antagonisten die Leber schädigen. „Deshalb sollten damit Behandelte einmal im Monat ihre Leberwerte überprüfen lassen“, erklärt Neurohr. Den Wirkstoff Sitaxentan mussten die Hersteller vor Kurzem vom Markt nehmen, weil er das Entgiftungsorgan zu stark belastet. Doch auch PDE-5-Hemmer haben ihre Tücken. So dürfen Patienten sie auf keinen Fall zusammen mit Nitropräparaten einnehmen. Diese weiten verengte Blutgefäße bei einem Anfall von Angina pectoris. Werden sie mit einem PDE-5-Hemmer kombiniert, droht dem Patienten ein lebensgefährlicher Abfall des Blutdrucks.

Eine weitere Gruppe von Wirkstoffen, sogenannte Prostanoide, gibt es in Deutschland nur als Infusionslösungen oder zum Inhalieren. Deshalb erhalten Patienten sie meistens dann, wenn sie PDE-Hemmer und Endothelin-Rezeptor-Antagonisten nicht vertragen oder in Kombination mit diesen Medikamenten. Neurohr schätzt, dass in Deutschland derzeit „bis zu 15.000 Patienten Lungenhochdrucksenker einnehmen“: Pulmonale arterielle Hypertonie ist eine seltene Erkrankung.

Manchmal geht eine solche Hypertonie allerdings mit Erkrankungen der Lunge und des Herzens einher. Derzeit überprüfen Mediziner in klinischen Studien, ob sich die Wirkstoffe für Patienten eignen, die an Lungenhochdruck und wiederholten Lungenembolien, Lungenfibrose oder Lungenemphysem leiden. „Auch Patienten mit Linksherzschwäche und Lungenhochdruck werden in Studien einbezogen“, ergänzt Professor Ekkehard Grünig, Leiter des Lungenhochdruckzentrums der Universität Heidelberg und Mitverfasser der medizinischen Leitlinie. „Alle Patienten sollten sich zur Erstdiagnose und Einleitung einer Therapie in einem spezialisierten Zentrum für Lungenhochdruck vorstellen“, empfiehlt er. „Denn es erfordert viel Erfahrung, andere Krankheiten auszuschließen und eine passende Therapie für die jeweilige Form des Lungenhochdrucks zu finden.“

Auch wirtschaftliche Gründe sprechen dafür, dass Spezialisten darüber entscheiden, welchen Patienten die teuren Lungenhochdrucksenker verschrieben werden. Eine Behandlung mit PDE-5-Hemmern kostet mindestens 10.000 Euro pro Jahr, eine mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten mehr als das Vierfache. Benötigt ein Patient mehrere Wirkstoffe in höheren Dosen, können die jährlichen Kosten der Therapie sogar mehr als 100.000 Euro betragen.

[@uelle: Dr. Achim G. Schneider / Apotheken Umschau; 17.06.2011 ]