Mandy Kremberg

DLTX – die richtige Entscheidung?

Als erstes ein paar Worte zu meiner Person:

Mandy Kremberg, geb. am 08.04.1977 in Mühlhausen/ Thüringen, mit ca. 2 ½ Jahren wurde die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose“ diagnostiziert, häufige Krankenhausaufenthalte wegen Pneumonien, viele Kuraufenthalte, Mittlere Reife absolviert, 1994 kam Diabetes hinzu, Ausbildung zur Bürokauffrau mit IHK-Abschluss, später 2 Jahre Ausbildung zur staatl. anerkannten Erzieherin ohne Abschluss, Johannes (erste grosse Liebe) verstarb nicht lange nach unserem Kennenlernen, 4jährige Beziehung mit einem Mann, der wie sich später herausstellte, nicht der „Richtige“ war, mit 22 Jahren zu Hause ausgezogen, 1999 gesundheitlicher Zusammenbruch, mehrere Monate Intensivstation, Behindertenausweis (MZ: B, G, aG, H und GdB 100) seit dem EU-Rentner, seit Dez. 1999 angemeldet gewesen bei Eurotransplant zur Organtransplantation, seit Juli 2001 glücklich verliebt, seit März 2003 wohnhaft auf Amrum, Mai 2004 Doppellungentransplantation in der Medizinischen Hochschule Hannover …

Ich möchte mal behaupten, bis Februar 1999 ging es mir relativ gut – da jede Pneumonie die ich mir gefangen hatte, mit Medikamenten in 2 bis 3 Wochen in den Griff zu bekommen war.
Doch in diesem Februar sollte dies anders sein, mir ging es sehr schlecht – wobei schlecht schon gar kein Ausdruck mehr war. Ich hatte Unmengen an zähen Schleim in meiner Lunge, so das ich kaum noch Luft bekam, das Reden viel mir schwer, ich konnte mich kaum noch bewegen, jeder Gang zur Toilette war eine Qual …

Ich kam in die Lungenfachklinik Lenglern (Nähe Göttingen), doch die Ärzte dort konnten mir auch nicht helfen. So kam es das ich verlegt wurde. Nun lag ich eine ganze Nacht auf der Intensivstation des Krankenhauses in Weende, doch auch diese „Götter in Weiss“ waren mit ihrem Latein am Ende und ich zog weiter in die Uni-Klinik-Göttingen. Dort verbrachte ich vier Monate auf Intensivstation, davon lag ich 6 Wochen im künstlichen Koma.
Ich wurde beatmet, wofür ein Luftröhrenschnitt von Nöten war und ausserdem wurde ich künstlich ernährt. Es war nicht nur für mich eine schreckliche Erfahrung die ich dort machen musste, sondern viel mehr für meine Eltern, die hilflos daneben standen …
Nach den 4 Monaten wurde ich mit einem Heim-Beatmungsgerät, einem Sauerstoffkonzentrator, einem mobilen Sauerstoffgerät und einem Rollstuhl entlassen – Egal, Hauptsache ich konnte endlich wieder nach Hause.
Ich war noch einige Zeit auf das Beatmungsgerät angewiesen, doch war ich stark bemüht dieses nicht zulange in Anspruch zu nehmen. Dies gelang mir auch – viele brachte ich somit zum Staunen, denn dies gelingt nicht jedem.
Ich habe dann Rente beantragt, denn von irgendwas musste ich ja leben – ich hatte Erfolg und bin nun seit August 1999 EU-Rentner.
In diesem August hatte ich auch das Gespräch mit den Ärzten um mich auf die Organtransplantationsliste bei Eurotransplant setzen zu lassen. Im Dezember 1999 bekam ich die Bestätigung das ich registriert war. Nun ging das Warten also los ….

Am 27.Mai 2003 war es dann nun soweit, ich bekam einen Anruf von der MHH (Medizinische Hochschule Hannover), wo mir mitgeteilt wurde, das ein passendes Organ für mich vorhanden sein würde. Ich war wie von der Rolle, wusste nicht, was ich zu erst tun sollte … Ich rief meinen Freund auf Arbeit an, der kam sofort nach Hause, dann rief ich meine Eltern an, die sich dann auch gleich auf den Weg nach Hannover machten.
Ich wartete zusammen mit meinem Freund auf den Hubschrauber – die Zeit des Wartens schien mir unendlich lang. Es war kaum zu aushalten !

Endlich kam er – er landete und ich konnte kaum noch klar denken. Ich stieg ein, bekam Kopfhörer und Mikrophon verpasst und an den Finger einen Pulsoxymeter um den Sauerstoffgehalt im Blut messen zu können. Mein Freund durfte mit fliegen. Dafür war ich dem Herr Gott schon einmal sehr dankbar, in dieser Situation jemanden bei mir zu haben, der mir doch sehr Nahe stand.

Mandy

In Hannover gelandet, ging dann auch alles recht fix. Ich wurde in der Notaufnahme von einem Arzt empfangen, der riesengrosse Hände hatte – da wurde es einem gleich nochmals ganz anders. Mein Freund erledigte die Formalitäten und ich durfte mich währenddessen ausziehen und auf die Pritsche legen. Meine Sachen kamen in einen Plastiksack, meine Brille und meinen Schmuck gab ich meinem Schatz. Nun kam die Frage der Schwestern, ob ich mich selbst rasieren wollte oder ob das gemacht werden soll. Ich entschied mich für die zweite Variante.
Dann bekam ich einen Butterfly gelegt, verabschiedete mich von meinem Schatz und wurde aus dem Raum geschoben. Von da an, kann ich mich erst mal an nichts mehr erinnern.
Aus Erzählungen weiss ich, das die Operation ca. 8 Stunden gedauert hat und ich an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen gewesen war.
Irgendwann, ich meine es war am 2. oder 3. Tag nach der OP registrierte ich die ersten Menschen um mich herum. Ich starte an die Decke und wusste erst einmal nicht, wo ich überhaupt war. Keine Ahnung, was mit mir passiert war …
Ich hing an unzähligen Maschinen, wurde beatmet und bekam meine Nahrung über den Tropf – also eines weiss ich genau, selber essen, macht mehr Spass.
Als ich vom Tubus aus dem Hals befreit werden sollte, was auch gleichzeitig hiess – selbst zu atmen, hatte ich ziemlich grosse Panik. Was ist, wenn es nicht geht – wenn ich keinen Luftzug zu mir nehmen könnte – ich hatte Angst. Wie sich herausstellte war diese Angst auch berechtigt. Ich hörte die Schwester die eigentlich neben mir stand, ganz weit weg rufen „Atme, nun atme endlich!“ oder „Versuch zu husten, du musst husten.“
Es war grausam, es ging einfach nicht – ich war zu schwach, es ging nicht –es ging nicht. Ein wahrer Alptraum !!!
Rettung war später nur ein Luftröhrenschnitt und ich wurde weiter beatmet, zwar nicht mehr zu 100 % sondern – dies wurde von Zeit zu Zeit herabgesetzt. Irgendwann sollte ich ja auch mal wieder selbständig atmen können.
Probleme hatte ich weiterhin mit der Verdauung – es wurden, auch was weiss ich wie viele Einläufe mit mir veranstaltet – es war jedes Mal ein Erlebnis für sich.

Schmerzen bereiteten mir nur die Drainagen und davon hatte ich einige. Eine wurde mir sogar aus Versehen beim Betten machen herausgezogen, Ergebnis war – es musste eine neue gelegt werden. Naja was macht man nicht alles mit. Narben habe ich ja nun genug am Körper. In der Leiste wurde oftmals Blut genommen, da lag also ein Katheter, am Hals hatte ich mal rechts mal links einen ZVK liegen, und meine Handgelenke waren auch zerstochen.
Jeden Tag wurde ich anfangs geröntgt, allerdings im Bett – war ja auch anders nicht möglich. Bronchoskopien wurden anfangs auch täglich durchgeführt, später wurden die Abstände grösser. Es wurde viel Sekret aus den Lungen abgesaugt.
Das Abtrainieren vom Beatmungsgerät war das schwierigste und schlimmste an der ganzen Geschichte, ich sollte an die „feuchte Nase“ gewöhnt werden. „Feuchte Nase“ war nichts anderes, als das ein Sauerstoffanschluss anstelle des Beatmungsgerätes auf den Adapter im Hals gesteckt wurde. Anfangs waren es nur Minuten, die ich damit aushielt – doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die Abstände der Zeit ohne Beatmungsgerät wurden immer länger.
Ich entschied mich, als ich mir sicher war, das ich es schaffe, auf das Beatmungsgerät zu verzichten. Mein Loch im Hals wurde abgeklebt und ich versuchte nun so klar zu kommen. Ich schlief abends ein und als ich morgens erwachte, hing ich wieder an der Beatmung – es war der Horror, da ich mir nicht erklären konnte, wie es dazu kam.

Eine Woche später startete ich erneut einen Versuch und dieses Mal hatte ich Erfolg, ich atmete allein und hatte nur noch Sauerstoff auf der Nase. Endlich ging es aufwärts, vieles war sehr schwer für mich. Mit der Nahrungszunahme war es anfangs nicht ganz einfach, mir fehlte der Appetit und die Kraft zum Essen. Ich hatte keine Muskeln mehr, konnte kaum etwas anheben, aber dafür bekam ich ja, wenn auch nur recht selten Krankengymnastik.
Mit einem Gehwagen wurde ich auf den Flur zu Laufübungen geschickt, es war die Hölle – ich quälte mich förmlich über die Flure. Aber dies alles war kein Vergleich – als eines Tages die Treppe mein Ziel sein sollte. Ich bin zwar hochgekommen, war allerdings mehr als nur aus der Puste … es war schlimm … aber es musste ja sein.

Ein sehr erhebender Augenblick, war als ich nach Wochen auf den Balkon durfte. Ich ging hinaus und es kam ein Windstoss, ich atmete so frei, wie ich es vorher in meinem Leben noch nie zuvor konnte. Es war so genial – ich musste weinen und meine Mutti gleich mit.
Danach ging es immer mehr bergauf – ich durfte allein meine Zähne putzen, mich waschen, wenn auch im Sitzen, mühselig mich anziehen usw.
Als dies alles so einigermassen funktionierte, kam ich auf eine normal Station – dort lernte ich meine Tabletten selbst zu richten. Ich bekam normales Essen vorgesetzt und es schien, als wenn ich nicht mehr lange in der MHH verweilen müsste.
Dann habe ich mir leider den CMV-Virus eingefangen und mein Aufenthalt verlängerte sich nochmals um Wochen – man nimmt eben mit, was man bekommen kann …

Am 18.08. 2003 war es dann endlich soweit, ich wurde nach Hause entlassen. Was war ich damals glücklich, natürlich hatte man auch Angst – nun war man mehr oder weniger auf sich allein gestellt, keine Ärzte oder Schwestern um sich herum – zu Hause mit einem neuen Organ. Ein komisches Gefühl, aber das alles rückte in den Hintergrund – Hauptsache man lebte !!!
Ich musste 2 mal die Woche zur Blutabnahme zu meinem Hausarzt, mehrmals täglich inhalieren blieb einem auch nicht erspart, Unmengen an Medikamenten war einzunehmen, worüber sich der Magen nicht immer so sehr freute …
Aber das alles spielte nicht die entscheidende Rolle, wichtig war – man konnte atmen und sich normal bewegen, man musste nicht husten – man hatte keinen Schleim, man konnte endlich frei sein und lachen.
Am 28.08. 2003 fuhr ich nach Sylt zur REHA, dies war allerdings der grösste Reinfall und mit Sicherheit mache ich diesen Fehler nicht noch einmal. Ich fühlte mich dort absolut nicht gut aufgehoben zumal ich die einzige Lungentransplantierte war und keiner einen Plan hatte, was an Therapie für mich das Richtige war.
Aber auch diese 3 Wochen habe ich hinter mich gelassen. Es ging mir von Tag zu Tag zu Hause besser, der FEV1 ging höher und mein Rekord lag bei 1,6 Litern. Wahnsinn, vor der TX hatte ich so um die 0,7 Liter. Man fühlte sich einfach gut, solange bis die erste Abstossung kam und man (ich dachte ich bräuchte dies nicht mehr) eine IV-Therapie machen musste.
Aber alles war in den Griff zu bekommen – so dachte ich ….
Heute sieht alles ein wenig anders aus, mein FEV1 ist ziemlich nach unten gegangen, Werte zwischen 0,5 und 0,8 Liter sind derzeit so das Limit. Ich bekomme sehr schlecht Luft, duschen und anziehen fallen mir recht schwer, da komme ich schon ausser Puste.
Der Grund ist eine chronische Abstossung und hinzu kommt noch ein stark ausgeprägtes Lungenemphysem.

Es macht mir Angst !
Ich bin echt froh meinen lieben Schatz und meine Eltern an meiner Seite zu haben, ohne Sie hätte ich sicher schon so manches mal aufgegeben.
Ich weiss – ich kann es meinen Lieben nicht antun und kämpfe deshalb weiter.
Da ich mit meinem derzeitigen Zustand mehr als unzufrieden bin und es mich auch extrem traurig macht, das die Transplantation nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, habe ich mich entschieden – mich erneut transplantieren zu lassen.
Ich habe Angst, aber wenn ich weiterleben möchte, muss ich diesen Weg wählen.

Sicher bleiben viele Fragen offen, es war auch nicht ganz einfach diese Zeilen zu schreiben, jemanden zu erklären, der dieses nicht erlebt hat – ist schwer. Allerdings bin ich gern bereit, falls jemand mehr erfahren möchte, seine Fragen zu beantworten.

Liebe Grüsse von Amrum
Euer „Lebenslicht“ Mandy

Internet: lebenslicht.mukoviszidose.net

[@uelle Mandy Kremberg / Juli 2004]

Leider müssen wir Abschied von Mandy Kremberg nehmen.
Für die geplante Retransplantation fehlte ihr die nötige Zeit und Kraft.
In unserem Herzen wird sie immer einen speziellen Platz einnehmen.


Keiner wird gefragt
wann es ihm recht ist
Abschied zu nehmen
von Menschen
Gewohnheiten
sich selbst

irgendwann
plötzlich
heisst es
damit umgehen
ihn aushalten
annehmen
diesen Abschied
diesen Schmerz des Sterbens

dieses Zusammenbrechen
um neu
aufzubrechen

(Margot Bickel)