Durchblutung und Feinbau der Lunge
Die pulmonale Applikation von Arzneistoffen rückt stärker ins Rampenlicht. So hat die junge amerikanische Firma Inhale Therapeutics zusammen mit den Firmen Pfizer und Aventis begonnen, ein Inhalationssystem zur pulmonalen Applikation von Insulin zu entwickeln, das den Transport des Proteohormons über die dünne Blut-Luft-Schranke der Lungenalveolen ermöglichen soll. Die Vorteile einer pulmonalen Applikation deuten sich auch bei der Therapie des Lungenhochdrucks durch Inhalation von Prostazyklin an. Damit kann die massive systemische Blutdrucksenkung mit der Gefahr eines Kreislaufkollaps weitgehend vermieden werden. Ohne Kenntnis der anatomischen Grundlagen sind die neuen Therapieansätze schwer verständlich. Der Titelbeitrag erläutert daher eingehend den Feinbau der Lunge.
Bei den Blutgefässen der Lunge unterscheidet man zwischen den Vasa publica, also Blutgefässen, die sauerstoffarmes Blut zur Lunge hinführen und sauerstoffreiches Blut wieder von dort zum Herzen zurückführen, und den Vasa privata. Dies sind Blutgefässe, die jene Anteile des Eigenapparates der Lunge versorgen, die keinen direkten Zugang zum sauerstoffreichen Blut der Vasa publica besitzen.
Zu den Vasa publica der Lunge zählen die A. pulmonalis und die Vv. pulmonales, die gemeinsam mit dem jeweiligen Hauptbronchus am Lungenhilum in die Lunge ein- und austreten. Hier am Hilus sind sie in charakteristischer Weise angeordnet: die obere der beiden Vv. pulmonales steht vorn, nach dorsal folgen A. pulmonalis und Hauptbronchus.
Die Verlaufsrichtung der A. und V. pulmonalis ist unterschiedlich. Zuerst folgen noch beide vom Hilus ausgehend den Verzweigungen der grossen Bronchien. Bei Erreichen der Lungensegmente ändert sich dies jedoch, da die Lungenvenen zwischen den Segmenten verlaufen und damit zwangsläufig von verschiedenen benachbarten Segmenten Blut erhalten. Demgegenüber verlaufen die Lungenarterien weiterhin zusammen mit den sich zunehmend aufzweigenden Bronchien, meist dorsolateral zu ihnen gelegen. Sie sind unabhängig voneinander jeweils einem Segment zugeordnet. Ein einzelnes Lungensegment kann daher nicht als eine abgeschlossene Gefässeinheit angesehen werden. Die Lungenarterien bilden auf ihrer Endstrecke dichte Kapillargeflechte in den Interalveolarsepten und umspinnen netzartig die Alveolen.
Die Vasa privata umfassen
- die Rami bronchiales, die aus der Brustaorta und der A. thoracica interna entspringen und
- die Venae bronchiales, die als oberflächliche V. bronchiales in die V. hemiazygos oder die V. azygos drainieren oder als tiefe V. bronchiales, meist als Stamm vereinigt, in eine Pulmonalvene oder den linken Vorhof münden. Die Venae bronchiales empfangen nicht das gesamte Blut aus den Rami bronchiales, die in gewissem Umfange auch in die Venae pulmonales drainieren. Die Rami bronchiales versorgen die Bronchien bis hinunter zu den Bronchioli respiratorii. Mit den Aa. pulmonales bilden sie im Bereich der kleineren Bronchi Anastomosen.
Regulation der Lungendurchblutung
Physiologisch sehr bedeutend ist die Kopplung von Durchblutung und Belüftung der einzelnen Lungenabschnitte. Anders als in der Peripherie verursacht eine sinkende Sauerstoffsättigung in einem Lungensegment nicht etwa eine Weitstellung der dort befindlichen Arterien, sondern vielmehr eine zunehmende Vasokonstriktion. Hierdurch wird einströmendes Blut aus schlecht belüfteten Arealen umgeleitet und gelangt bevorzugt in besser belüftete Lungenabschnitte. Dieser Vorgang wird nicht über das Nervensystem vermittelt.
Da die Vasa publica der Lunge zum Niederdrucksystem des Kreislaufs gehören, weist dieser Abschnitt des Blutgefässsystems eine Reihe weiterer, physiologisch bedeutsamer Besonderheiten auf. Die Druckdifferenz zwischen linkem Vorhof und Pulmonalarterie beträgt lediglich 6 bis 8 mmHg. Die Blutgefässe sind wesentlich dünnwandiger und kürzer als jene im übrigen Körperkreislauf und weisen deutlich weniger glatte Muskulatur in ihrer Wand auf. Der Strömungswiderstand der Lungengefässe beträgt nur sieben Prozent desjenigen der systemischen Gefässe.
Selbst bei einem Anstieg der Lungendurchblutung auf das Vierfache, steigt der Pulmonalarteriendruck nur auf das Doppelte. Der Grund liegt in der Dehnbarkeit der Lungengefässe (Compliance) und in der zunehmenden Rekrutierung von Reservekapillaren, die im Ruhezustand nicht perfundiert werden. Nimmt die Lungendurchblutung zu, so reagieren die Lungengefässe druckpassiv und werden weitgestellt, da sie nicht autoreguliert sind. Ausserdem fehlt ihnen die feste Verankerung durch ein dichtes Interstitium. Die wenigen lockeren Fasergeflechte sind kein festes Widerlager für die Gefässe und bauen deshalb auch keinen Gegendruck auf. Gleichzeitig wird bei einem Anstieg der Lungendurchblutung die durchblutete Kapillarfläche erhöht. So beträgt die Fläche der durchbluteten Kapillaren im Ruhezustand 70 m², kann aber bei schwerer körperlicher Arbeit auf über 100 m² ansteigen.
Umgekehrt folgt aus diesen Eigenschaften, dass der Lungenkreislauf ein leicht mobilisierbares Blutreservoir darstellt. Da das Blut ungefähr 40 bis 50 Prozent des Lungengewichtes ausmacht, stehen ungefähr 500 ml Blut im Lungenkreislauf zur Verfügung. Hiervon können 50 Prozent bei einer kurzfristig notwendigen Steigerung der Auswurfleistung des linken Ventrikels oder zum Ausgleich unterschiedlicher Förderleistungen von rechtem und linkem Ventrikel während der Inspiration und Expirtation herangezogen werden.
Da die Blutdruckwerte in der Lunge derart niedrig sind, wird unter dem Einfluss der Schwerkraft die regionale Durchblutung der Lunge heterogen. Man kann daher die Lunge in drei Zonen mit unterschiedlicher Durchblutung unterteilen.
Zone 1: Bewegt man sich vom Lungenhilus in Richtung auf die Lungenspitze zu, wird der wirksame intravasale Blutdruck zunehmend durch den negativen hydrostatischen Druck gemindert, da die Flussrichtung entgegen der Schwerkraft erfolgt. In der Zone 1 werden die Alveolargefässe nur kurz während der Systolenspitze geöffnet und sind ansonsten nicht durchblutet, so dass die Durchblutung der Lungenspitze nur zehn Prozent von der der Lungenbasis beträgt.
Zone 2: In dieser Zone auf Höhe des Lungenhilus übertrifft der Pulmonalarteriendruck den Alveolardruck, letzterer ist jedoch immer noch höher als der Pulmonalvenendruck.
Zone 3: Unterhalb des Lungenhilus lastet infolge der Schwerkraft der hydrostatische Druck der Blutsäule zusätzlich auf den Gefässen, so dass der wirksame intravasale Druck zur Lungenbasis hin zunehmend grösser wird und den Alveolendruck übertrifft.
Allerdings reicht schon eine leichte körperliche Aktivität aus, um diese Zoneneinteilung abzuschwächen. Zone 1 tritt daher in der Regel gar nicht auf. Körperliche Arbeit führt mit zunehmender Belastung zur vollständigen Aufhebung dieser Durchblutungsunterschiede. Dies kann ebenso durch die Horizontallagerung des Körpers erreicht werden. Da gering durchblutete Lungenbezirke als Einfallstore für Infektionen und Entzündungen gelten, kann Bettruhe bei einer infektiösen Lungenerkrankung eine wichtige Hilfsmassnahme darstellen, die zu einer verbesserten regionalen Lungendurchblutung führt.
Umgekehrt ist der alveoläre Druck bei der künstlichen Beatmung mit Überdruck erhöht und wirkt dem Blutdruck in den Lungenkapillaren entgegen. Dadurch wird der Gefässwiderstand gesteigert und durch Abnahme der Lungendurchblutung die Zone 2 vergrössert.
Feinbau der Lunge
Ausgehend von der Trachea (Luftröhre) beginnt ein sich immer weiter aufzweigendes Röhrensystem, das schliesslich in den Alveoli pulmonis (Lungenbläschen) blind endet. Zwischen Trachea und Alveolen liegen 23 Teilungsgenerationen dieses Röhrensystems. Gleichzeitig ändert sich in charakteristischer Weise die Innenauskleidung dieses Röhrensystems.
Bei allen endothermen Lebewesen ist die Lungenoberfläche durch weitgehende Septierung vergrössert. Die zur Oberflächenvergrösserung dienenden Wandstrukturen sind umso komplizierter, je grösser die Körpermasse ist, die mit Sauerstoff versorgt werden muss. Ganz einfach aufgebaute, sackähnliche Lungen besitzen manche Urodelen wie Salamander oder Molche. Bei Sirenia (Seekühen) und Fröschen treten bereits zusätzliche Septierungen auf, die die Oberfläche vergrössern. Bei den Reptilien und Säugern kann die Luft durch die blinde Endigung des Röhrensystems in den Alveoli – im Gegensatz zu den Vögeln – nicht wirklich zirkulieren. Bei Vögeln strömt die Luft über die Hauptbronchien in mehrere grossvolumige Luftsäcke ein und wird von dort über Sacchibronchi und Parabronchi in die Bronchien zurückgeleitet. In den Parabronchi liegen bei den Vögeln die eigentlichen Gas austauschenden, schwammähnlichen Strukturen. Auf diesem Wege wird dort ein offenes Zirkulationssystem verwirklicht.
Nicht alle Strukturen der Lunge dienen dem Gasaustausch zwischen Luftraum und Blut. Man unterscheidet vielmehr die Luft leitenden von den respiratorischen Abschnitten der Atemwege. Zu den Luft leitenden Abschnitten zählen die Nasenhöhle, die Trachea (Luftröhre), die Bronchi principales (Hauptbronchien), die Bronchi lobares (Lappenbronchi), die Bronchi segmentales (Segmentbronchi) und die Bronchioli (kleine Bronchien), die bei einer lichten Weite unter 1 mm über ihre Endabschitte, die Bronchioli terminales (Endbronchiolen), überleiten zu den respiratorischen Abschnitten. Zu den respiratorischen Abschnitten gehören die Bronchioli respiratorii (respiratorische Bronchiolen) und das Alveolensystem, das aus den Ductus alveolares (Alveolargängen), den Atria alveolaria (Alveolarvorhöfen) und den Sacculi alveolares (Alveolarsäcke) besteht.
Von der Trachea bis zu den Bronchioli
Die Luft leitenden Abschnitte der Atemwege sollen die eingeatmete Luft anfeuchten, anwärmen und reinigen. Da in diesem Raum kein Gasaustausch stattfinden kann, entsprechen diese Abschnitte dem anatomischen Totraum der Lunge. Das elastische Röhrensystem der Luft leitenden und respiratorischen Abschnitte geht kontinuierlich ohne scharfe Begrenzung ineinander über. Für das funktionelle Verständnis und die Unterscheidung der jeweiligen Abschnitte sind Wandaufbau und Innenauskleidung des Röhrensystems wichtig.
Die Wand der Trachea und der Bronchi besteht aus glatter Muskulatur, elastischen Fasernetzen, Knorpel und seromukösen Bronchialdrüsen. Die Innenseite ist von einem mehrreihigen Epithel besetzt. Die Epithelzellen sind dicht mit über 300 Flimmerhärchen pro Zelle besetzt, die permanent mit hoher Frequenz von über zehn Schlägen pro Sekunde durch ihre oralwärts gerichtete Bewegung eingedrungene Fremdkörper oder Bakterien wieder aus dem Bronchialtrakt entfernen. Vom Lumen der Trachea ausgehend durchstösst man mehrere Wandschichten:
- die Tunica mucosa aus respiratorischem Epithel und der Lamina propria aus elastischen Fasernetzen und den Bronchialdrüsen;
- die Tunica fibromusculocartiliaginea aus C-förmigen Knorpelspangen, die sich nach dorsal öffnen, ferner die Ligg. anularia aus straffem Bindegewebe mit elastischen Fasernetzen, die die Knorpelspangen miteinander verbinden und schliesslich den Paries membranaceus (membranöser Wandanteil) aus glatter Muskulatur, mit der die Enden des C-förmigen Knorpels dorsal flexibel verbunden werden;
- die Tunica adventitia, die als lockeres Bindegewebe die Trachea im umgebenden Gewebe verankert und die zur Ernährung notwendigen Blutgefässe heranführt.
Der Aufbau der Bronchien entspricht weitgehend dem Bau der Trachea, mit dem Unterschied, dass jetzt die glatte Muskulatur den gesamten Querschnitt ringförmig als eigenständige Tunica muscularis umfasst und das Knorpelgewebe nicht mehr als C-förmige Spange, sondern nur noch in einzeln eingestreuten Platten vorliegt, die rasch an Grösse verlieren, je geringer der Durchmesser der Bronchien wird. Die Ausstattung mit flexibel eingebauten Knorpelanteilen soll das Lumen dieser Röhren auch bei Unterdruck während der Inspiration offenhalten. Andererseits kann das Lumen durch Kontraktion der glatten Muskulatur verändert werden.
Bronchioli weisen als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Bronchi keine Knorpelanteile und keine Bronchialdrüsen mehr auf. Einzeldrüsenzellen im Epithel, die Becherzellen, werden zunehmend seltener und fehlen in den distalen Abschnitten vollständig. Charakteristisch sind keulenförmige Clara-Zellen (Max Clara, 1899 bis 1966, Anatom in Leipzig und Istanbul), die weit in das Lumen vorragen und Surfactant produzieren. Das respiratorische Epithel nimmt an Höhe ab, ist aber noch durchgehend mit Kinozilien besetzt. Dieser Besatz verschwindet erst in den am weitesten distal gelegenen Bronchiolenabschnitten, die als Bronchioli respiratorii bezeichnet werden, da sie in ihrer Wandung bereits Ausbuchtungen besitzen, die mit Alveolarepithel ausgekleidet sind und dem Gasaustausch dienen.
Die Bronchioli respiratorii umfassen drei Teilungsgenerationen und führen unter Zunahme der wandständigen Alveolen in mehrere Ductus alveolares (Alveolargänge), deren Wände weitgehend von Alveolen unterbrochen sind und die ihrerseits in Alveolengruppen (Sacculi alveolares) oder deren Vorhöfen, den Atria alveolares, blind enden. Die Wände der Ductus alveolares werden von einem Geflecht aus kollagenen, retikulären und elastischen Fasern gestützt und von dünnen glatten Muskelfasern durchzogen, die ringförmig die Eingänge zu den Alveolen umfassen. Da die Gesamtheit der Gebilde, die einem Bronchiolus terminalis entspringen, gestaltlich an den Fruchtstand der Weinbeeren erinnert, nennt man diese Einheit einen Acinus (lateinisch für kleine Beere).
Das Alveolarsystem der Lunge
Die eigentliche Gasaustauschfläche der Alveolen besteht aus zwei Epithelzellarten: Alveolarepithelzellen (Pneumozyten) Typ I und Typ II.
Die Pneumozyten kleiden die Oberfläche der Alveolen vollständig aus. Alveolen sind nicht kugelförmig wie aus zeichentechnischen Gründen meist dargestellt, sondern haben die Form eines Dodekaeders. Eine Kugelgestalt wäre teleologisch unsinnig, da die Kugel bei gegebenem Volumen die kleinste Oberfläche aufweist, in der Lunge die Oberfläche jedoch gerade nicht minimiert werden soll. Sie sitzen einer Basallamina auf, die mit der Basallamina der Kapillaren verschmilzt, die ihrerseits korbartig die Alveolen umspinnt und dort von dünnen elastischen, kollagenen und retikulären Fasern gestützt wird. Die Alveolarepithelzellen Typ I sind 0,05 bis 2,2 µm dick. Da die Endothelzellen ebenfalls nur 0,05 µm dick sind, ist die Diffusionsstrecke, die die Atemgase zurücklegen müssen, sehr klein. Die aus Endothelzellwand, Basallamina, Alveolarepithelzelle und Surfactant gebildete Schicht wird als Blut-Luft-Schranke bezeichnet, die im Mittel 2,2 µm stark ist. Dieser Wert schwankt, da die Kapillaren nicht allseits dicht von den Alveolen umfasst werden. Teilweise werden auch Mittelwerte von nur 0,2 µm erreicht.
Wenn zwei Alveolen mit ihren Wänden aneinander angrenzen, so entsteht ein Alveolarseptum (Septum interalveolare), in dessen Mitte sich ebenfalls ein dichtes Kapillarnetz befindet, das von beiden Seiten Kontakt mit den Alveolarepithelzellen hat. Daneben finden sich im Alveolarseptum ein lockeres Stützwerk von Fasern, Makrophagen, Faser bildende Fibrozyten, Leukozyten, Mastzellen und dünne Nervenfasern. Poren (Kohnsche Poren) durchbrechen die Alveolarsepten mehrfach, so dass zwischen einzelnen Alveolen leicht Luft hindurchtreten kann.
Die Alveolarepithelzellen Typ I sind ausserordentlich flach. Sie können wegen ihrer Organellenarmut kaum zelluläre Schäden beheben und werden daher leicht durch toxische exogene oder endogene Einflüsse irreversibel geschädigt. Sie werden durch Alveorlarepithelzellen vom Typ II ersetzt, die sich in den Typ I umwandeln können. Wegen ihrer grossen Flächenausdehnung werden die Typ-I-Zellen auch Deckzellen genannt, während die in das Alveolenlumen vorspringenden Typ-II-Zellen auch als Nischenzellen bezeichnet werden, da sie meist in Winkeln der Alveolen zu finden sind. Die Typ-II-Zellen sind zahlreicher als Typ-I-Zellen. Ihre Aufgabe besteht in der Synthese eines Surfactant (surface, englisch für Oberfläche) genannten Gemisches aus 90 Prozent Lipiden und 10 Prozent Surfactant-assoziierten Proteinen.
Surfactant mindert die Oberflächenspannung an der enorm grossen Gewebe-Luft-Grenzfläche. Auf Grund der lockeren Beschaffenheit des Lungengewebes reichen nämlich die feinen Fasergeflechte um die Alveolen nicht zur Stützung des Gewebes aus. Die Lunge würde zusammenfallen (Atelektase; griechisch: ateles unvollständig; ektasis Ausdehnung), wenn nicht Surfactant die Oberflächenspanung herabsetzen würde. Da Surfactant in zunehmendem Mass erst ab dem sechsten Monat gebildet wird, sind Frühgeburten vorher nicht lebensfähig und erleiden ein Atemnotsyndrom (respiratory distress syndrome), da ihre Lungen nicht ausreichend belüftet werden können. Mittlerweile kann beim Frühgeborenen exogener, aus Schweine- oder Rinderlungen hergestellter Surfactant (Alveofact®) oder das synthetische Dipalmitoylphosphatidylcholin (Exosurf® Neonatal) in die Lunge instilliert werden bei gleichzeitiger Gabe von Glucocorticoiden zur Stimulation der Synthese des Surfactant. Damit können die Überlebensraten für Frühgeborene wesentlich verbessert werden.
Auf Abwehr eingestellt
Auf Grund der grossen exponierten Gewebeoberfläche aus ungefähr 300 Millionen Alveolen und des häufigen, intensiven Kontaktes mit Erregern und Schmutzpartikeln in der Atemluft verfügt die Lunge über ein sehr wirksames Abwehrsystem. Es umfasst sowohl unspezifische als auch spezifische Komponenten. Zu den unspezifischen Abwehrmechanismen zählen:
- Anwärmung und Anfeuchtung der Luft in den oberen Luftwegen zur Verhinderung von Austrocknung und Temperaturschädigung des Lungengewebes;
- mukoziliäre Clearance, die Einhüllung von Fremdkörpern durch den Schleim aus Becherzellen und Bronchialdrüsen und dessen gerichteter Abtransport durch den Kinozilienschlag;
- die Phagozytose von partikulären Fremdstoffen in den Alveolen durch die akzessorischen Zellen des humoralen Immunsystems, die Makrophagen und neutrophilen Granulozyten.
Die Vorstufen der Makrophagen werden im Knochenmark als Monozyten gebildet und wandern über das Blut in das Lungengewebe ein. Sie halten sich meist im interalveolären Spalt auf, können aber durch das Alveolarepithel hindurchtreten und auf der Innenseite der Alveole Partikel, aber auch verbrauchtes Surfactant aufnehmen und abbauen. Nicht immer gelingt dieser Abbau vollständig. Mineralische oder inerte Partikel wie Stein-, Porzellan- oder Kohlestaub verbleiben in den Makrophagen, die deshalb als Staubzellen bezeichnet werden. Solche phagozytierten Partikel können auch aus Abbauvorgängen körpereigener Zellen herrühren. Dies ist bei einer Linksherzinsuffizienz oder einer Mitralstenose der Fall, wenn es hierdurch zu einem Rückstau des Blutes in den Lungenkreislauf kommt. Dann treten verstärkt Erythrozyten aus den Lungenkapillaren aus, gelangen in den Alveolarraum und werden dort phagozytiert. Das nicht weiter veränderbare Abbauprodukt des Hämoglobins, das Hämosiderin, bleibt in den Makrophagen und gibt ihnen eine rötlich-braune Farbe. Es entsteht eine Lungenhämosiderose, die bei der pathologischen Untersuchung durch die rotbraune Farbe der Schnittflächen auffällt. Die als Herzfehlerzellen bezeichneten Makrophagen können auch mit dem Sputum abgehustet und dort nachgewiesen werden.
Die Auswanderung von neutrophilen Granulozyten in das Lungengewebe wird begünstigt durch die hohe Konzentration dieser Zellen in den Lungenkapillaren. Die geringe Weite der Kapillaren verlängert die Passagezeit der neutrophilen Granulozyten, was deren Auswanderung durch die Kapillarwand begünstigt.
Zu den spezifischen Abwehrmechanismen gehören B- und T-Lymphozyten-vermittelte Abwehreaktionen der lokalen Lymphknoten (Bronchus-Associated Lymphoid Tissue, BALT), beispielsweise die Produktion von IgA-Antkörpern durch Plasmazellen und die nachfolgende Sekretion der IgA-Antikörper im Bronchialsekret.
Lungenfunktionsstörungen können von den Atemwegen oder von den Pulmonalgefässen ausgehen. Wegen der engen Kopplung von Belüftung der Lunge und pulmonaler Durchblutung, zieht eine pathologische Veränderung der Atemwege in vielen Fällen eine Störung der Pulmonaldurchblutung nach sich.
Asthma, Bronchitis, Emphysem und Staublunge
Asthma ist eine anfallsweise auftretende, reversible Obstruktion der Bronchiolen von unbekannter Ätiologie und Pathogenese, die typischerweise mit einer Hyperreaktivität der spiraligen Bronchialmuskulatur einhergeht und Teil einer Entzündungsreaktion des Bronchialsystems ist. Es kommt zu einer Verengung besonders der Bronchiolen, deren Wände nicht mehr durch Knorpelanteile gestützt werden. Die Vitalkapizität der Lunge verringert sich, während das Residualvolumen, das nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt, ansteigt. Die Lunge erscheint im Röngenbild oft überbläht. Der Anstieg des intrathorakalen Druckes kann auch den Einstrom der Luft erschweren und damit eine Mehrbelastung des rechten Herzens auslösen, der später durch Verschiebung des Kammerseptums eine Beeinträchtigung des linken Herzens folgen kann.
Chronische Bronchitis und Lungenemphysem sind ebenfalls obstruktive Ventilationsstörungen und weisen gleiche ätiologische Faktoren auf, nämlich Inhalationsnoxen, die das Abwehrsystem der Lunge dauerhaft überlasten und die Regeneration der Schleimhaut nicht mehr zulassen. Meist treten beide gemeinsam auf, jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Pathogenetisch unterscheiden sich Bronchitis und Emphysem. Während die chronische Bronchitis primär Bronchien und Bronchiolen betrifft und es dabei zu ungleichmässiger Belüftung der Lunge kommt, also eine Gasverteilungsstörung vorliegt, wird beim Emphysem die Gasaustauschfläche durch Degeneration der Alveolarsepten verringert.
Bei beiden Krankheitsbildern spielen Leukozyten-Proteasen wie die Elastase eine entscheidende Rolle. Die Proteasen werden bei Entzündungsreaktionen aus neutrophilen Granulozyten oder Makrophagen verstärkt freigesetzt und bauen die extrazelluläre, elastische Matrix der Lunge ab. Diese Zellen der körpereigenen Abwehr erfüllen eigentlich eine höchst sinnvolle Aufgabe, nämlich die Beseitung körperfremden Materials in der Lunge. Bei einer Überflutung mit Fremdstoffen beginnen sie jedoch, mit ihren lytischen Enzymen das körpereigene elastische Lungengewebe abzubauen. Die Schlüsselrolle der Elastase bei der Entwicklung von chronischer Bronchitis und Emphysem ist am eindrucksvollsten durch die Züchtung von Knockout-Mäusen demonstriert worden. Diesen fehlt die genetische Information für die Elastase; folgerichtig entwickeln sie auch kein Emphysem nach Expostion auf Zigarettenrauch.
Die Proteaseaktivität der Leukozyten wird normalerweise durch endogene Inhibitoren, wie das a1-Antitrypsin gehemmt. Inhalationsnoxen, vornehmlich das Rauchen, hemmen jedoch die Antiproteaseaktvität und beschleunigen somit die Entzündungsreaktion. Zudem existiert in der Bevölkerung mit einer Häufigkeit von 1:1000 ein genetisch bestimmter Mangel an a1-Antitrypsin. Ebenfalls genetisch determiniert ist ein Polymorphismus der mikrosomalen Epoxidhydrolase, die hochreaktive Epoxidmetabolite des Fremdstoffwechsels entgiftet. Langsame Hydroxylierer sind ungefähr dreimal häufiger von Emphysem oder chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen betroffen als schnelle Hydroxylierer. Dieser Sachverhalt gewinnt zusätzlich an Brisanz dadurch, dass Nikotin das Cytochrom P450-Isoenzym CYP1A1 in der Lunge im Tierversuch nachhaltig induziert. Man darf also erwarten, dass Rauchen den oxidativen Metabolismus von Inhaltsstoffen des Tabakrauchs steigert und deshalb verstärkt hochreaktive Epoxide entstehen, für deren Entgiftung ein Teil der Bevölkerung nur schlecht gerüstet ist.
Bei der chronischen Bronchitis führt die inhomogene Belüftung der Lunge zu einer unzureichenden Oxigenierung des Blutes. Die Hypoxie führt ihrerseits zur Konstriktion der Lungengefässe und durch die resultierende pulmonale Hypertonie zu einer dauernden Überbelastung des rechten Herzens und Entwicklung eines Cor pulmonale.
Beim Emphysem hingegen ist die Oxigenierung im Ruhezustand noch ausreichend. Wegen des zunehmenden Abbaus der elastischen Fasern ist die Rückstellkraft der Lunge jedoch derart vermindert, dass eine forcierte Ausatmung bei Belastung massiv erschwert ist und es zur Dyspnoe kommt.
Nicht nur der Abbau der elastischen Fasersysteme kann die Lungenfunktion schwerwiegend beeinträchtigen, sondern auch die Vermehrung der Fasermasse. Dies ist der Fall bei den fibrosierenden Staublungenerkrankungen, den Pneumokoniosen wie der Silikose nach jahrelanger Exposition mit quarzhaltigen Steinstäuben, der Barytose durch Schwerspatstaub oder der Anthrakose bei Kohlestaub. Die Alveolarmakrophagen nehmen die Staubpartikel auf (Staubzellen) und zerfallen unter Freisetzung von Entzündungsmediatoren. Zelldetritus mit Staubpartikeln wird erneut von anderen Makrophagen aufgenommen. In der Folge werden die Alveolarzellen Typ I zerstört, die Alveolarzellen Typ II werden hyperplastisch. Gleichzeitig werden Fasern bildende Zellen, die Fibrozyten, in den Alveolarsepten zur Synthese von Fasern angeregt. Es kommt zur Fibrose des Lungengewebes und bei fortschreitendem Verlauf zur respiratorischen Insuffizienz.
Pulmonale Gefässerkrankungen
Die Diffusionsstrecke für Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Alveolarraum und Kapillarlumen kann auch von vaskulären Prozessen vergrössert werden. Die schwammartige Gewebebeschaffenheit und die geringen Druckunterschiede zwischen rechtem und linkem Vorhof lassen das fragile Gleichgewicht des Lungenkreislaufs bereits erahnen. Blutdrucksteigerungen im Lungenkreislauf von 10 bis 20 mmHg reichen aus, um schwerwiegende kardiale Mehrbelastungen zu erzeugen. Anstiege des Pulmonaldruckes können chronisch oder akut ausgelöst werden.
Akute Drucksteigerungen treten auf bei Verlegung von Lungengefässen infolge einer Embolie, bei Spannungspneumothorax oder Status asthmaticus mit stark erhöhtem intrathorakalen Druck. Chronisch steigt der Druck bei vaskulärer pulmonaler Hypertonie, deren Ätiologie und Pathogenese unbekannt sind. Gehäuft wurde dieses Krankheitsbild nach der Einnahme des Appetitzüglers Aminorex in den siebziger Jahren beobachtet. Der Pulmonaldruck nimmt aber auch bei pulmonaler Hypertonie durch Hypoxie in grossen Höhen zu. In all diesen Fällen entsteht durch den erhöhten Widerstand des Lungenkreislaufs ein akutes oder chronisches Cor pulmonale.
Lungenödem
Die Diffusionsstrecke, die Sauerstoff und Kohlendioxid beim Gasaustausch zwischen Luft und Blut überwinden müssen, beträgt lediglich 0,2 bis 2 µm und ist damit wesentlich kürzer als im Herzmuskel mit 10 µm oder im Skelettmuskel mit 30 µm. Verändern sich die Diffusionsverhältnisse, ist wegen der geringeren Wasserlöslichkeit zuerst der Sauerstoffaustausch betroffen, erst bei weiterer Verschlechterung auch der Kohlendioxidaustausch. Schon sehr kleine Anstiege der Diffusionstrecke lassen den Sauerstoff-Partialdruck des Blutes sinken. Bei schwerem Lungenödem steigt auch der Kohlendioxid-Partialdruck. Eine Zunahme der extrazellulären Flüssigkeit, die als Lungenödem bezeichnet wird, verschlechtert den Gasaustausch, zu Beginn eher durch Abnahme der elastischen Dehnbarkeit der Lunge, in späteren Stadien durch Zunahme der Diffusionsstrecke.
Normalerweise überwiegt in der Lunge der kolloidosmotische Druck des Blutes den Kapillardruck, so dass keine Auswärtsfiltration aus den Kapillaren in das Interstitium, sondern eine Einwärtsfiltration in die Kapillaren stattfindet. Dieses Druckverhältnis gilt jedoch nicht mehr, wenn:
- der kapilläre Druck ansteigt, beispielsweise wegen einer Linksherzinsuffizienz, die zu einem Rückstau des Blutes in das Kapillargebiet der Lunge führt, oder bei einer Lungenembolie;
- die Permeabilität der Kapillaren ansteigt, wie es bei Intoxikationen mit Reiz- und Kampfgasen (Phosgen, Methylisocyanat als Ursache des Giftgasunglücks im indischen Bhopal, Brandgase beim Verschwelen von Urethanharnstoffen), bei Schocklunge oder Urämie der Fall ist;
- die Surfactantwirkung abnimmt mit der Folge eines Anstiegs des transmuralen Druckes, da die Oberflächenspannung in den Alveolen nicht mehr ausreichend herabgesetzt wird und es ebenfalls zu einer erhöhten Extravasation von Flüssigkeit kommt.
Die Extravasation von Flüssigkeit aus den Kapillaren bleibt nicht auf den interstitiellen Raum beschränkt, sondern greift auf den Alveolarraum über. Es entsteht ein intraalveoläres Ödem. Die Alveolen ertrinken in Flüssigkeit, die durch die einströmende Luft bei jedem Atemzug schaumig aufgewirbelt wird und zusätzliche Bronchiolen verlegt. So fällt der Sauerstoffpartialdruck rasch weiter ab; unbehandelt führt das Ödem zum Tod.
[@uelle Pharmazeutische-Zeitung / Privatdozent Dr. rer. nat. Thomas Beck, Universität Rostock]