Kalziumantagonisten

Kalziumantagonisten sind bereits seit 1960 im Einsatz und zählen zu den am häufigsten verschriebenen Medikamentengruppen.

Sie setzen sich aus drei verschiedenen Substanzgruppen zusammen:

Ihre Wirkung beruht auf der Blockade von Kalzium-leitenden Kanälen. Im Herz-Kreislaufsystem sind im Wesentlichen zwei Arten von Kalzium-Kanälen vertreten: der L-Kanal (L=long lasting, large capacity) sowie der T-Kanal (T=transient). Im Nervensystem hingegen sind hauptsächlich N- und P-Kanäle vertreten.
Die T-Kanäle sind hauptsächlich im Vorhofmyokard lokalisiert und wirken bei der spontanen diastolischen Depolarisation des Sinusknotens mit. Ihre Blockade führt daher zu einer Reduktion der Herzfrequenz. Im Ventrikelmyokard sind T-Kanäle hingegen physiologischerweise kaum vorhanden, sie treten jedoch bei Vorliegen einer Linksherzhypertrophie häufiger in Erscheinung. Die T-Kanäle sind auch in der glatten Gefässmuskulatur und in Reninsynthetisierenden neurohumoralen Zellen nachzuweisen. Spekulation ist derzeit, ob die frequenzsenkenden Eigenschaften von Diltiazem und Verapamil auf die Beeinflussung der T-Kanäle zurückzuführen sind; diese beiden Substanzgruppen entfalten ihre Hauptwirkung an den L-Kanälen, ebenso wie die Dihydropyridine.
L-Kanäle sind für den Kalzium-Einstrom zu einem späteren Zeitpunkt der Depolarisation der Muskelzelle verantwortlich. Am Herzen sind sie hauptsächlich in den Ventrikeln lokalisiert. Weiters sind sie in der glatten Gefässmuskulatur vertreten. Alle drei Arten von L-Kanal-Blockern (Dihydropyridine/Phenylalkylamine/Benzothiazepine) besetzen unterschiedliche Bindungsstellen an diesem Kanal.
Interessanterweise sind die L-Kanal-Blocker spezifisch auf die glatte Muskulatur der Gefässe sowie die Herzmuskelzelle ausgerichtet, obwohl die L-Kanäle ubiquitär in der Skelettmuskulatur sowie in der glatten Muskulatur der Atemwege und des Gastrointestinaltrakts vorhanden sind. Innerhalb des Herz-Kreislaufsystems sind die Dihydropyridine vasoselektiver als Diltiazem und Verapamil.
Je höher die Vasoselektivität, desto höher ist auch die peripher vasodilatierende Wirkung bei gleichzeitig geringerer negativer Inotropie. Die Kehrseite der Medaille: durch die Blutdrucksenkung wird eine Reflextachykardie hervorgerufenen.
Diese ist ein ungünstiger prognostischer Parameter, sie fällt aber bei geringerer Vasoselektivität weniger ausgeprägt aus.
Kalziumkanal-Antagonisten bewirken durch ihre blockierende Wirkung auf LKanäle eine Hemmung der Kontraktion der betroffenen Muskelzelle. Dies erklärt ihre Hauptwirkung am Gefässsystem (Vasodilatation, damit Blutdrucksenkung) aber auch die Nebenwirkungen (negative Inotropie, Obstipation). Auch Wirkungen des sympathischen Nervensystems sowie die Angiotensin-II- und Endothelin-Effekte werden – zum Teil – über LKanäle vermittelt. Daher sind diese Wirkungen bei Einsatz von Kalziumkanal-Blockern ebenfalls gedämpft.
Pharmakokinetisch betrachtet verhalten sich alle Gruppen von Kalziumantagonisten vergleichbar: eher geringe Bioverfügbarkeit, hoher first-pass Effekt, rascher Wirkungseintritt, hohe Proteinbindung, kurze Eliminationshalbwertszeit und Verstoffwechslung zu weniger aktiven oder inaktiven Metaboliten. Der Stoffwechselweg läuft im Allgemeinen über die Cytochrom P450-Enzym-Familie; Diltiazem und Verapamil verzögern daher den Abbau von anderen Pharmaka wie Carbamazepin, Cyclosporin oder Lovastatin, die ebenfalls über den Cytochrom P450-Weg abgebaut werden. Hingegen beeinflussen Dihydropyridine die Abbauvorgänge anderer Pharmaka in einem wesentlich geringeren Ausmass.

Indikationen

– Pulmonale Hypertonie
Die Basistherapie der PAH besteht in körperlicher Schonung, Langzeitsauerstoffgabe, der optimierten Behandlung von Grunderkrankungen und frühzeitiger Infektionstherapie.
Darüber hinaus sind Antikoagulanzien, Diuretika und Digitalis indiziert.Kalziumantagonisten dürfen erst nach einem Vasoreagibilitätstest gegeben werden,weil die meisten PAH-Patienten sich darunter verschlechtern,wie Ewert betonte. Von Betablockern und ACE-Hemmern ist bei PAH abzuraten. Als letzte Option bleibt die Lungentransplantation.
Ein spezifisches Medikament gegen PAH war bislang nicht zugelassen. Zu Hoffnungen Anlass gibt der jetzt zugelassene Endothelin-Rezeptorantagonist Bosentan.

– Arterielle Hypertonie
Die arterielle Hypertonie stellt einen der wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten von kardio- und zerebrovaskulären Ereignissen dar, welche mehr als 50 Prozent der Mortalität in den westlichen Ländern bedingen. In Österreich sind es mehr als 40.000 Todesfälle pro Jahr; im Vergleich dazu verursachen Verkehrsunfälle „nur“ etwa 1.000 Todesfälle pro Jahr. Die hohe Prävalenz der arteriellen Hypertonie führt dazu, dass Antihypertensiva den grössten Anteil an den Arzneimittelkosten aufweisen, die durch die Sozialversicherungen beglichen werden.
Entsprechend ihrer vasodilatierenden Wirkung finden besonders die Dihydropyridine, aber auch Verapamil und Diltiazem breite Anwendung in der antihypertensiven Therapie. Laut Richtlinien der amerikanischen Hypertonieliga (Joint National Comitee VI) sollten in der Behandlung der Hypertonie Diuretika und Betablocker eingesetzt werden, entsprechend den Ergebnissen der grossen randomisierten und placebo-kontrollierten Studien. Die anderen grossen Klassen von antihypertensiv wirkenden Medikamenten sind auf spezielle Indikationen und Begleitkrankheiten beschränkt.
Die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der internationalen Hypertonieliga (ISH) reihen jedoch die sechs Hauptklassen von Antihypertensiva als gleichwertige first-line-Agentien ein (Diuretika/Betablocker/Kalziumantagonisten/ACE-Hemmer/Alphablocker/Angiotensin-IIAntagonsiten).
Aus Gründen der Praktikabilität ist dieser Ansatz sicherlich sinnvoll, da dadurch mehrere verschiedene Medikamentenklassen für die Behandlung der Hypertonie zur Verfügung stehen. Dies ist einerseits bedeutsam, da die Responderraten (das Ansprechen auf die antihypertensive Therapie) für einzelne Substanzen bei 50 bis 60 Prozent liegen. Andererseits ist die – prinzipiell notwendige – lebenslange Einnahme von Antihypertensiva durch das Auftreten von Nebenwirkungen limitiert, Alternativen sind daher notwendig.
Kalziumantagonisten zeichnen sich in dieser Hinsicht vor allem durch ihre relative Nebenwirkungsarmut und ihre Stoffwechselneutralität aus. Für die Gruppe der Kalziumantagonisten (Dihydropyridingruppe) sind in den letzten Jahren einige Studien publiziert worden; diese belegen ihre Sicherheit, aber auch ihren Einfluss auf eine Reduktion von harten Endpunkten (Morbidität und Mortalität an kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen).

Studien

Die in der Frühphase der Hypertonieforschung eingesetzten Medikamente waren Betablocker und Diuretika. Bis heute stellen die damit erzielten Reduktionen der Morbidität und Mortalität an Schlaganfällen sowie an koronaren Ereignissen den Massstab für neuere Medikamentengruppen dar. In den letzten Jahren sind eine Reihe von Untersuchungen mit Kalziumkanalblockern bei arterieller Hypertonie durchgeführt worden. Aufgrund ethischer Überlegungen wurden diese Studien als Vergleich zur etablierten Standardtherapie (Diuretika und Betablocker) angelegt, mit lediglich einer Ausnahme.
Der Syst-Eur-Trial bei isolierter systolischer Hypertonie hatte ein placebokontrolliertes Design, da bei seinem Anlaufen die SHEP-Studie (Systolic Hypertension in the Elderly Program) noch nicht abgeschlossen war. Die in den letzten Jahren erschienenen Untersuchungen haben durchwegs (mit wenigen Ausnahmen) die in schiefes Licht gerückten Kalziumkanalblocker wieder rehabilitiert. Die Ergebnisse dieser Studien sind für Diltiazem (NORDIL-Studie, Vergleich mit Diuretika ausgesprochen positiv), aber auch die Dihydropyridine konnten eine von Diuretika nicht unterscheidbare Reduktion von harten Endpunkten belegen (INSIGHT), wobei jedoch höhere Herzinsuffizienzraten bei Nifedipin-Therapie in Kauf zu nehmen waren. Dieses Faktum unterstützt die Empfehlung, Kalziumantagonisten bei herzinsuffizienten Patienten nicht einzusetzen.
Die HOT-Studie (Hypertension Optimal Treatment), wurde auf Basis einer Felodipin-Therapie an fast 20.000 Patienten durchgeführt. Dies war für die Bestimmung des Zielwertes unter antihypertensiver Therapie eine ausgesprochen wichtige Untersuchung: Denn die Ergebnisse belegen erstens den Nutzen eines möglichst niedrigen Blutdruckzielwertes (130/85) mit einem signifikanten Morbiditätsvorteil bei Hochrisikopatienten (Diabetikern), und zweitens die Notwendigkeit einer Kombinationstherapie. Kürzlich wurde in der „Blood Pressure Lowering Trialist`s Collaboration“ eine umfassende Metaanalyse aller Medikamentenstudien der Primärprävention der Hypertonie publiziert, welche bestimmte Qualitätsnormen erfüllten. Ergebnis: Durch Kalziumantagonisten konnte eine signifikante Reduktion von Schlaganfällen – im Vergleich zu Placebo und Betablocker/Diuretika – errechnet werden. Allerdings zeigte sich auch eine statistisch signifikante Zunahme an Koronarereignissen im Vergleich zu Betablockern/Diuretika.

Verabreichung von Kalziumantagonisten in der täglichen Praxis

Die Kalziumantagonisten sind aufgrund ihrer guten Verträglichkeit, guten blutdrucksenkenden Eigenschaften und hohen Responderraten in der antihypertensiven Therapie überaus gebräuchlich. Die Anforderungen an ein modernes Antihypertensivum, nämlich einmaltägliche Verabreichung, Trough/Peak- Ratio > 0,5 = zumindest 50 Prozent des maximalen blutdrucksenkenden Effektes wird am Ende des Dosierungszeitpunktes noch aufrecht erhalten. Diese werden sowohl von den neueren Dihydropyridinsubstanzen sowie – aufgrund einer veränderten Galenik – auch von älteren Kalziumantagonisten durchwegs erfüllt.
Vor allem die Kombination von Dihydropyridinen mit Betablockern hat sich bewährt, diese fangen die mehr oder weniger ausgeprägte reflektorische Sympathikusaktivierung ab. Gute Erfolge sind auch in der Kombination von Dihydropyridinen mit ACE-Hemmern belegt, vor allem was die Reduktion der linksventrikulären Muskelmasse bei hypertoniebedingter Linksherzhypertrophie Linksherzhypertrophie angeht. Die diastolische Funktionsstörung des Herzmuskels bei Patienten mit einem Cor hypertonicum kann ebenso günstig beeinflusst werden; vor allem Verapamil ist in dieser Hinsicht gut untersucht.
Neueste Untersuchungen zeigen ausserdem einen günstigen Effekt von Nifedipin auf die bei Hypertonikern gestörte endotheliale Funktion.
Das Problem der reflektorischen Sympathikusaktivierung spielt aufgrund der bradykardisierenden Wirkung bei Verapamil und Diltiazem sowie bei neueren langsam anflutenden Dihydropyridinen (zum Beispiel Amlodipin, Lercanidipin) eine geringere Rolle. Entsprechend den Ergebnissen des Syst-Eur Trials kann bei isolierter systolischer Hypertonie (= erhöhter systolischer bei gleichzeitig normalem diastolischen Blutdruck) ein besonderer Vorteil aus einer Therapie mit Nitrendipin (Vertreter der Dihydropyridine) durch eine Reduktion der Schlaganfallhäufigkeit aber auch durch die Verbesserung mentaler Fähigkeiten erwartet werden. Vorschläge zur antihypertensiven Differenzialtherapie mit Kalziumantagonisten sind in Tabelle 3 dargestellt.
Wenngleich in der Behandlung der Hypertonie vor allem bei Berücksichtigung der neuen Zielwerte der Behandlung (Ordinations-RR < 130/85) mit einer Monotherapie nur in seltenen Fällen das Auslangen gefunden werden kann, soll das nachstehende „ABCD-Schema“ ein Hilfsmittel zur Initialtherapie darstellen. Durch die beschriebene Vorgangsweise kann die Responderrate deutlich erhöht und damit die Gabe einer wenig sinnvollen oder unwirksamen Medikation vermieden werden.

Hypertensive Krise/Hypertensiver Notfall

In der Behandlung der hypertensiven Krise beziehungsweise des hypertensiven Notfalls ist die sublinguale Verabreichung von Nifedipin als Spray oder Kapsel weit verbreitet. Aufgrund der oft nicht vorhersehbaren und auch nicht steuerbaren raschen Blutdrucksenkung sowie dem gehäuften Auftreten von Myokardinfarkten und Insulten wurde diese Galenik von Nifedipin aus den amerikanischen Richtlinien zur Behandlung des akuten Blutdruckanstieges verbannt.
Als Alternativen bieten sich bei hypertensiven Notfällen (= Blutdruckanstieg verbunden mit Organbeteiligungen wie Infarkt, Lungenödem, Aortenaneurysma,…) die Verabreichung von Nitrolingualspray oder eines gut steuerbaren Alphablockers (zum Beispiel Urapidil i.v.) an. Bei fehlender Organbeteiligung besteht aus medizinischer Sicht keine Notwendigkeit zu einer akuten Blutdrucksenkung. Die Therapie der Wahl stellen wiederum der Nitrospray, ein rasch wirksames orales Antihypertensivum (ohne verzögerte Galenik) sowie entspannende Begleitmassnahmen (Benzodiazepin- Tropfen, Zurückziehen in abgedunkeltes Zimmer ohne stressende äussere Einflüsse, etc.) dar.

Koronare Herzkrankheit

Das Ziel der Behandlung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit ist das Erreichen einer verminderten Mortalität und Morbidität sowie die Besserung der Symptomatik. Aufgrund der an sich sehr geringen Ereignisrate bei chronischer stabiler Angina pectoris ist es schwierig, für jede Art von medikamentöser oder interventioneller Strategie eine Verbesserung der Prognose zu erzielen. Lediglich die positive Beeinflussung der kardiovaskulären Risikofaktoren (Cholesterin, Blutdruck) sowie die Gabe von Aspirin sind belegbare primärpräventive Strategien. Von medikamentöser Seite gibt es für Betablocker nach durchgemachtem Myokardinfarkt sowie ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz, Herzerweiterung sowie generell bei atherosklerotisch mediierten Ereignissen in der Sekundärprävention positive Studienergebnisse.
Für Kalziumantagonisten existieren nur wenige primärpräventive Daten in der Behandlung der koronaren Herzkrankheit. In den letzten Jahren sind mehrere in der medizinischen Fachwelt ausführlich diskutierte Metaanalysen (Furberg, Psaty) erschienen, die einen negativen Einfluss auf Morbidität und Mortalität (kardiovaskuläre Ereignisse, Karzinom, gastrointestinale Blutung) bei Verabreichung von hochdosierten schnell anflutenden Dihydropyridinen zeigten.
Eine Stellungnahme eines Ad Hoc-Subkommitee`s der WHO sowie der International Society of Hypertension evaluierte in einer retrospektiven Analyse der vorhandenen Studien keine signifikante Beeinflussung von kardiovaskulären Ereignissen, Karzinomentstehung oder Blutung durch Kalziumantagonisten (weder in positiver noch in negativer Weise). Betrachtet man die einzelnen Subgruppen der Kalziumantagonisten, so existiert für Verapamil eine positive Studie bei Post-Myokardinfarkt-Patienten ohne Zeichen einer Herzinsuffizienz und Beginn der Therapie zwei Wochen nach dem Ereignis (DAVIT II).
Dihydropyridine konnten keine signifikanten positiven Ergebnisse in der Sekundärprävention der koronaren Herzerkrankung erzielen. Vor der Verabreichung kurzwirksamer Dihydropyridine bei Patienten mit KHK muss jedoch abgeraten werden.
Ebenso relevant in der Behandlung von Patienten mit Angina pectoris ist das Erreichen einer höheren Lebensqualität durch Symptomverminderung.
Durch ihre vasodilatierenden Eigenschaften werden natürlich auch Koronarien erweitert. Zwei kürzlich erschienene Studien (APSIS, TIBET) evaluierten Nifedipin beziehungsweise Verapamil im Vergleich zu Betablockern (Atenolol bzw. Metoprolol). In beiden Studien (682 beziehungsweise 802 Patienten; Follow up zwei beziehungsweise 3,4 Jahre) konnte kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Auftretens von Ischämieepisoden aber auch von harten Endpunkten gezeigt werden. Die Mortalität unterschied sich in diesen beiden Studien in der Betablocker- und der Kalziumantagonistengruppe nicht signifikant.
Weitere Studien mit sekundärpräventivem Ansatz sind derzeit im Gange, wobei die Ergebnisse allerdings erst in einigen Jahren erwartet werden können (zum Beispiel die ACTION-Studie).
Diese Ergebnisse lassen sich dahingehend interpretieren, dass zur Symptomunterdrückung bei stabiler Angina pectoris langwirksame und langsam anflutende Kalziumblocker mit ausreichender Sicherheit eingesetzt werden können, wenn Betablocker nicht verabreicht werden können.

Vasospastische Angina (Prinzmetal-Angina)

Angina pectoris-Attacken, die durch Spasmen grosser Koronararterien hervorgerufen werden und oft mit ST-Strecken-Hebungen im EKG einhergehen, können mit allen drei Klassen von Kalziumantagonisten sehr effektiv behandelt werden. Randomisierte Doppelblind-Studien existieren für dieses kleine Patientengut jedoch nicht.

Herzinsuffizienz

Vom theoretischen Ansatz her sind Kalziumantagonisten aufgrund ihrer vasodilatierenden Wirkung sowie ihrer antiischämischen Eigenschaften bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz einsetzbar, zumal ein Grossteil der herzinsuffizienten Patienten an einer koronaren Herzerkrankung leidet. Allerdings wird ähnlich wie bei Betablockern die Inotropie negativ beeinflusst, aber im Unterschied zu diesen auch das sympathische Nervensystem aktiviert.
Studien, die bei Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz mit Nifedipin, Nisoldipin, Nitrendipin und Nicardipin durchgeführt wurden, zeigten jedoch durchwegs negative Ergebnisse. Lediglich Felodipin und vor allem Amlodipin konnten überzeugendere Ergebnisse liefern. So wurde Amlodipin in der PRAISE – Studie (1.153 Patienten) bei herzinsuffizienten Patienten ohne hypertone Blutdruckwerte im NYHA-Stadium III eingesetzt. In der Gesamtanalyse konnte kein signifikanter Unterschied in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse und Gesamtmortalität im Vergleich zu Placebo gezeigt werden. In einer Subgruppenanalyse war jedoch bemerkenswert, dass Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie statistisch signifikant weniger kardiale Ereignisse und Todesfälle unter Amlodipintherapie aufwiesen.
Eine Erklärung für dieses an sich paradoxe Ergebnis steht derzeit noch aus. Die wichtigste Schlussfolgerung daraus und aus einer ähnlichen Studie mit Felodipin (V-HeFT III) ist, dass diese beiden Dihydropyridine in dieser Patientengruppe (Herzinsuffizienz ohne KHK) bei Erfordernis einer zusätzlichen antihypertensiv wirksamen Therapie mit zufriedenstellender Sicherheit eingesetzt werden können.
Die Standardtherapie besteht hier jedoch sicherlich aus ACE-Hemmern (beziehungsweise Angiotensin-II-Blockern) sowie Diuretika und Betablockern.
allerdings können Kalziumantagonisten mit Sicherheit nicht als Standardtherapeutikum in der Behandlung der Herzinsuffizienz stellen angesehen werden, zumal die grössere PRAISE-II-Studie die Ergebnisse von PRAISEI nicht reproduzieren konnte.
Ergebnisse von Untersuchungen mit Verapamil und Diltiazem bei Herzinsuffizienz zeigten keinerlei langanhaltenden positiven Effekt, sodass diese für den Einsatz von Kalziumantagonisten in der Behandlung der Herzinsuffizienz kein Grund besteht.

Atherosklerose

Obwohl Kalziumantagonisten vom theoretischen und tierexperimentellen Ansatz antiatherosklerotisch wirken, haben randomisierte Untersuchungen am Menschen bis dato noch keinen Beweis für eine klinische Relevanz dieser Effekte liefern können. Grundlagen der antiatherosklerotischen Wirkung sind die Verbesserung der Endothelfunktion, eine Inhibierung der Plättchenaggregation, eine verminderte Kalziumionenaufnahme in glatte Gefässmuskelzellen sowie eine Hemmung der Fibroblastenproliferation.

PTCA

Durch die antiischämische Wirkung können Kalziumantagonisten im Rahmen von koronaren Interventionen positive Effekte zeigen. So kann zum Beispiel myokardiales Stunning nach einer Angioplastie durch Vorbehandlung mit Nisoldipin aber auch Verapamil vermindert werden.
Verapamil wurde auch in der Behandlung des no-reflow-Phänomens (fehlender Abfluss des Blutes aus einem wiedereröffneten Koronargefäss mit schlechter Prognose für das betreffende Myokardareal) erfolgreich eingesetzt.
Einige kleinere Studien zeigten sowohl mit Diltiazem als auch mit Nifedipin eine geringe Restenoserate nach PTCA. Klinische Relevanz haben diese Untersuchungen aufgrund kleiner Patientenzahlen und weicher Endpunkte nach derzeitigem Wissensstand jedoch nicht.

Hypertrophe Kardiomyopathie

Die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine genetisch determinierte Erkrankung, die in ihrem Langzeitverlauf durch ein häufigeres Auftreten von plötzlichen Herztodesfällen, Angina pectoris-Beschwerden, aber auch durch die Entwicklung einer Herzinsuffizienz charakterisiert ist. In der medikamentösen Behandlung dieser Erkrankung werden besonders Betablocker sowie Verapamil eingesetzt. Die positive Wirkung von Verapamil wird auf die Verminderung der myokardialen Kontraktilität und den dadurch herabgesetzten Gradienten über dem Ausflusstrakt des linken Ventrikels zurückgeführt sowie durch eine verbesserte diastolische Funktion des sehr steifen hypertrophierten Ventrikels erklärt. Die Langzeitergebnisse der medikamentösen Therapie sind allerdings enttäuschend.
Weitere Therapieansätze dieser Erkrankung sind chirurgischer (Septumresektion) oder interventioneller Natur (Setzen einer Nekrose durch Injektion von absolutem Alkohol in den ersten septalen Ast des Ramus interventrikularis anterior – derzeit experimentell). Mögliche Verbesserungen der Symptomatik können auch durch die Implantation eines DDD-Schrittmachers häufig in Verbindung mit einem Defibrillator erzielt werden. (DDDSchrittmacher: Zweikammersystem, es wird je eine Elektrode in den rechten Vorhof und die rechte Kammer platziert. Auf diese Weise werden Vorhof und Kammer nacheinander erregt; so genannntes AV-sequentielles oder physiologisches Schrittmachersystem).

Herzrhythmusstörungen

Bei der Behandlung von Arrhythmien des Vorhofes sowie des AV-Knotens (Vorhofflimmern, Vorhoftachykardie, AV-Knoten-reentry-Tachykardie) findet Verapamil breite klinisch Anwendung mit gutem Erfolg. Besonders zur Regulation von Vorhofflimmern ist Verapamil aufgrund seiner „use-dependency“ gut geeignet. Diese Eigenschaft bedeutet, dass bei einer vermehrten Beanspruchung von Kalziumkanälen im Reizleitungsgewebe (speziell im AVKnoten), wie es bei tachykarder Überleitung von Vorhofflimmern der Fall ist, eine verstärkte Blockade erfolgt. Bei niedrigeren Frequenzen ist die Verapamil-Wirkung auf den AV-Knoten entsprechend geringer – daher ist die Gefahr der Induktion einer hämodynamisch wirksamen Bradykardie zwar nicht ausgeschlossen, aber nur selten zu erwarten.
Zu betonen ist allerdings, dass Verapamil auf keinen Fall bei Tachykardien mit breiten Kammerkomplexen eingesetzt werden sollte. Eine möglicherweise ursächlich zugrundeliegende akzessorische Bahn (WPW-Syndrom) wird im Unterschied zum AV-Knoten nicht ausreichend beeinflusst – somit könnte ein präexistentes Vorhofflimmern ungehindert Kammerflimmern induzieren.

Nebenwirkungen und Interaktionen

Das Nebenwirkungsprofil der Dihydropyridine ist vor allem durch ihre Hauptwirkungen begründet. Rasch anflutende Dihydropyridine bewirken eine reflektorische Sympathikusaktivierung mit Reflextachykardie sowie Hypotensionsneigung. Je langsamer der Wirkungsbeginn gestaltet ist, desto geringer fallen diese Nebenwirkungen aus.
Kopfschmerzen, Gesichtsrötungen sowie Beinödeme sind ebenfalls durch die Vasodilatation begründet. Bei neueren Dihydropyridinen sowie galenischen Verbesserungen von alten Vertretern dieser Substanzklasse konnten auch diese Nebenwirkungen vermindert werden. Weiters muss die negativ inotrope Wirkung beachtet werden.
Verapamil führt durch die Beeinflussung von Sinus- und AV-Knoten zu keiner reflektorischen Tachykardie sondern bei einigen Patienten zur Entwicklung eines Sick-Sinus-Syndroms oder eines AV-Blocks.

Als wichtigste Nebenwirkung kann die obstipierende Wirkung angesehen werden. Vor allem in Kombination mit Betablockern kann Verapamil zu symptomatischen AVBlockaden führen.
Diltiazem liegt mit seinem Nebenwirkungsspektrum in der Mitte der beiden zuvor genannten Substanzgruppen. Obstipation aber auch reflektorische Sympathikusaktivierung oder bradykarde Herzrhythmusstörungen werden wesentlich seltener beobachtet. Eine Kombinationsbehandlung mit Betablockern ist daher prinzipiell eher möglich als jene mit Verapamil.

[@uelle Univ. Prof. Dr. Werner Klein, Dr. Robert Zweiker,beide: Medizinische Universitätsklinik Graz/Abteilung für Kardiologie, Auenbruggerplatz 15 ]