Hilfe für junge Patienten mit Lungenhochdruck

Es gehe ihr wesentlich besser, bestätigte Gülhat gestern im kleinen Seminarraum im vierten Obergeschoss der Kinderklinik. Zwei Treppenstufen hat sie früher gerade noch geschafft. Jetzt kann sie, ehe sie erschöpft innehalten und nach Luft schnappen muss, schon vier Stufen emporsteigen.

Ein Rekord für die 16-Jährige. Vater Hüseyn hat die Tochter bisher aus der Nähe von Reiskirchen, wo die kurdischen Familie lebt, nach Giessen in die Kaufmännische Berufsschule fahren müssen. »Jetzt werde ich sogar mit dem Bus fahren können.« Ein Erfolgserlebnis nicht allein für Gülhat und ihre Familie – auch für den Leiter der kinderkardiologischen Ambulanz, Dr. Christian Apitz, für den Doktoranden David Zöller und Kinderkrankenschwester Anita von der »Arbeitsgruppe Spiroergometrie« des Hessischen Kinderherzzentrums der Justus-Liebig-Universität am Uniklinikum Giessen. Ein Erfolg auch für Sylvia Paul von der »Stiftung Kinderherz«, die eigens aus Essen angereist ist.

Die angesehene Stiftung, die derzeit ein rundes Dutzend Forschungsvorhaben an deutschen Universitätskliniken unterstützt – in Berlin geht es beispielsweise um die Überwachung der Gehirnfunktion von Kindern während und nach Herzoperationen, in Tübingen um die frühzeitige Erkennung von Herzrhythmusstörungen – hat mit Fördergeldern von rund 180 000 Euro auch das auf zwei Jahre angelegte Projekt »Spiroergometrie« in Giessen ermöglicht. Mitte vorigen Jahres begonnen, kann Privatdozent Dr. Apitz jetzt schon zur »Halbzeit« eine durchaus ermutigende Zwischenbilanz ziehen.

Keine absolute Schonung

Dass kontrollierte Trainingsprogramme bei jungen Patienten mit Mukoviszidose zu einer Erhöhung der Lebensqualität führen können, ist belegt, erläutert er. Die Studie frage nun: Wie sieht es beim gefürchteten, nur medikamentös beeinflussbaren, aber bisher unheilbaren Lungenhochdruck aus, der mit Kurzatmigkeit und verringerter körperlicher Belastungsfähigkeit einhergeht? Eine Verdickung hat dabei zu einer Gefässverengung geführt, es kann zu Herzschwäche – »Rechtsherzinsuffizienz« – kommen, zu Lebensgefahr. Bedeutet das aber auch zugleich »absolute körperliche Schonung«? Besorgte Eltern wollen ihre kleinen Patienten nach der besorgniserregenden Diagnose oft am liebsten in Watte packen. Die jedoch wollen Fussball spielen, bolzen, am Klassenausflug teilnehmen und empfinden das Verbot der Teilnahme am Schulsport meist als Diskriminierung. Es stellt sich also die Frage nach der individuellen Belastbarkeit und nach ihren Grenzen.

Das erste Zwischenergebnis der Giessener Studie, die von der Hälfe der rund 15 Teilnehmer bisher abgeschlossen wurde, hat ermutigende Resultate gebracht: Das spirorergometrisch überwachte »Giessener Trainingsprogramm« hat bei der gleichzeitigen Messung von Ausdauerfähigkeit und erforderlichem Kraftaufwand bei den acht- bis achtzehnjährigen Patienten zu einer deutlichen Verbesserungen der Werte geführt. Die höhere Belastungsfähigkeit – beispielsweise gesteigerte Gehstrecken, erhöhte Sauerstoffaufnahme, Verbesserung der Laktatwerte – lassen durchaus Fragen nach einer möglichen Verringerung der bisher erforderlichen Medikamente zu.

Und die positiven Rückmeldungen der Eltern geben allen Grund zur Annahme, dass den jungen Teilnehmern Laufbandtests und Fahrradtraining überdies richtig Spass gemacht haben.

[@uelle: giessener-allgemeine]