Giessener Experten stellen Wirkstoff Tadalafil gegen Bluthochdruck in Lungenarterien vor
Es beginnt mit unspezifischen Symptomen wie Atemnot und Müdigkeit. Doch bleibt die Pulmonale Arterielle Hypertonie (PAH), eine Bluthochdruckkrankheit der Lungenarterien, unbehandelt, kann sie zur Rechtsherzinsuffizienz und schliesslich zum frühzeitigen Tode führen. Seit einigen Jahren schon gehören Giessener Wissenschaftler zu den weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet. Am Exzellenzcluster Cardio-Pulmonales System (ECCPS) der Justus-Liebig-Universität wurde am Dienstag mit Tadalafil ein neuer Wirkstoff vorgestellt.
Seit Anfang Februar ist die in Kooperation mit dem auch in Giessen ansässigen Pharmaunternehmen Lilly auf den Markt gebrachte Substanz unter dem Markennamen Adcirca® zur Behandlung von PAH in den Stadien II und III zugelassen. Tadalafil ist nach Sildenafil, das ursprünglich als Inhaltsstoff der Potenzpille Viagra entwickelt wurde, bereits der zweite sogenannte Phosphodiesterase-5-(PDE5)-Hemmer, der in Giessen für diese spezielle Therapie entwickelt wurde. Dabei sei es gelungen, Vorläufer- und Zielprodukt innerhalb eines Zeitraumes von nur zehn Jahren zur Marktreife zu bringen, betonte Prof. Friedrich Grimminger und sprach von einer Erfolgsgeschichte. Denn üblich sind für Medikamente heute meist rund 15 Jahre.
Führung durch die klinischen Abteilungen: Prof. Ghofrani (Zweiter von links) erläutert die Rechtsherz-Untersuchung bei einem Patienten.
Bild: Docter
Erfolgsgeschichte
Wir können nun erstmals Patienten in einer Form helfen, die komplikationsfrei ist, fügte der Direktor der Medizinischen Kliniken IV und V des Giessener Zentrums für Innere Medizin hinzu. Laut Prof. Ardeschir Ghofrani seien diese beiden Varianten des Lungenhochdrucks durch Tadalafil von einer vormals tödlichen zu einer behandelbaren Krankheit geworden. Über Jahrzehnte wird man damit Patienten stabil behandeln können. Das Besondere daran: aufgrund einer Halbwertszeit von 16 Stunden genügt die Einnahme von täglich nur einmal 40 Milligramm, um einen konstanten Wirkstoffspiegel aufzubauen. Bei den in internationalen klinischen Studien therapierten Patienten wäre es innerhalb kurzer Zeit nach der Einnahme zu einer deutlichen Verbesserung des Wohlbefindens gekommen, wusste Ghofrani zu berichten. Und auch die Einjahresüberlebensrate sei mit 96 Prozent weitaus besser als bei Vorgängermedikamenten.
Tadalafil führt über mehrere biochemische Reaktionsschritte zu einer Entspannung der glatten Muskelzellen in den Gefässwänden der Lungenarterien und somit zu einer Ausweitung des Gefässdurchschnitts. Die rechte Herzkammer – Ghofrani: Der Motor für den Lungenkreislauf – muss also weniger Pumparbeit leisten. Bei Patienten mit PAH kommt es zu einer starken Verdickung der Gefässwände, beschrieb Prof. Ralph Schermuly den Entstehungsprozess der Erkrankung. Der Druckanstieg erschwert daraufhin in den feinen Endgefässen und den Alveolen die Aufnahme des Sauerstoffs ins Blut. Tadalafil sorge jedoch schon nach einer halben Stunde für eine Senkung des Lungenhochdrucks, so Schermuly, zudem werde der Massenzuwachs der Zellen unterdrückt, teilweise kann sogar der Gefässumbau wieder rückgängig gemacht werden.
Noch Herausforderungen
Der jetzigen Zulassung waren jahrelange Forschungen beispielsweise zu den Signalwegen im Zellinneren vorausgegangen, bevor das Medikament in klinischen Studien erprobt wurde. Trotz dessen hervorragender Wirkung ist die Pulmonale Arterielle Hypertonie aber weiterhin nicht heilbar. Überdies wird sie oft zu spät erkannt. Eine frühe Diagnosestellung hat eine deutlich verbesserte Prognose zur Folge, betonte Ardeschir Ghofrani. Selbst vier Monate Zeitverlust sind nicht mehr aufzuholen. Es sind also noch einige Herausforderungen zu bewältigen
[@uelle: Giessener Anzeiger / (fod)]