Kindern mit primärer pulmonaler Hypertonie
Die primäre pulmonale Hypertonie (PPH) ist eine seltene Erkrankung mit sehr schlechter Prognose. Sie kommt in jedem Lebensalter vor, betrifft aber zumeist Frauen im Alter von 30- 40 Jahren. Die pathophysiologischen Mechanismen, die zur Entstehung der primären pulmonalen Hypertonie führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Durch Vasokonstriktion und strukturellen Umbau der pulmonalen Strombahn (Remodeling) kommt es zum pulmonalarteriellen Druckanstieg und schliesslich zum progredienten Rechtsherzversagen.
Pathogenetisch sind die Endotheldysfunktion und proliferative Veränderungen der Pulmonalarteriolen von Bedeutung. Bei 55% der familiären und 26% der sporadischen PPH bei Erwachsenen wurden autosomal dominant vererbte Mutationen des BMPR2-Gens Chromosom 2q33) als Ursache der Erkrankung identifiziert. Da BMPR2 ein Rezeptor für wachstumshemmende Faktoren ist, könnten die Mutation zu einer überschiessenden, tumorartigen Proliferation der Pulmonalgefässe führen und die typischen plexiformen Läsionen der PPH verursachen. Unklar ist, ob bei Kindern mit PPH die gleiche Ursache und klinische Manifestation der Erkrankung besteht. In Deutschland sind nur etwa 30 Kinder an PPH erkrankt. Das diagnostische und therapeutische Vorgehen war sehr uneinheitlich bei Kindern. In Vorarbeiten konnten wir nachweisen, dass PPH-Genträger unter Belastung häufig einen pathologischen Anstieg des systolischen pulmonalarteriellen Druckes (PASP) aufweisen und mittels Stress-Dopplerechokardiographie identifiziert werden können.
In der vorliegenden Arbeit wurden 12 Kinder im Alter von 6 Monaten – 13 Jahren (mittleres Alter 5,9 ~ 4,0 Jahre) mit invasiv gesicherter PPH und 38 Familienmitglieder aus 5 Familien klinisch und genetisch untersucht. Die meisten Kinder waren sehr schwer erkrankt und unterschieden sich phänotypisch von der adulten PPH. Sie wiesen zumeist suprasystemische Drucke auf. Männliche Patienten waren genauso häufig, wie weibliche. Zudem traten andere Symptome, wie Obstipation und Entwicklungsverzögerung, als bei der adulten PPH auf. Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass durch eine systematische klinische Untersuchung von Familienmitgliedern, eine manifeste PPH in einem frühen Stadium bei weiteren Angehörigen diagnostiziert werden kann. Bei 2 der 38 untersuchten Familienmitglieder wurde eine PPH durch das Familienscreening neu diagnostiziert. Bei einem neu diagnostizierten Kind im Alter von 2 Jahren wurde umgehend eine Therapie mit Prostacyclin von dem behandelnden Zentrum für Kinderkardiologie eingeleitet.
Die genetischen Analysen ergaben bei keinem Kind Mutationen des BMPR2-Gens, oder eine Kopplung der Erkrankung zum Chromosom 2. Diese Ergebnisse sprechen daher dafür, dass die PPH bei Kindern nicht durch BMPR2-Mutationen verursacht wird. Möglicherweise spielen bei der juvenilen PPH andere Gendefekte eine Rolle. In den hier klinisch und genetisch untersuchten Familien gab es Hinweise auf einen autosomal rezessiven Erbgang. So wiesen jeweils beide Eltern, bzw. deren Verwandte einen überschiessenden PASP-Anstieg unter Belastung auf.
Die Schlussfolgerung dieser Arbeit ist, dass die juvenile PPH möglicherweise eine eigene Form der Erkrankung darstellt, die autosomal rezessiv vererbt wird und nicht durch Mutationen des BMPR2-Gens entsteht. Die in dieser Studie erhaltenen Befunde lassenvermuten, dass in betroffenen Familien asymptomatische Genträger mittels Stress-Dopplerechokardiographie identifiziert werden können. Die systematische Untersuchung mittels Stress-Dopplerechokardiographie könnte bei diesen Familien eine frühzeitige Identifizierung und somit eine effiziente Therapie ermöglichen. Daher sollten Familienmitglieder von Kindern mit primärer pulmonaler Hypertonie mittels Stress-Dopplerechokardiographie untersucht werden. In weiteren Follow-up Untersuchungen soll analysiert werden, ob der überschiessende Anstieg des systolischen pulmonalarteriellen Drucks unter Belastung einer latenten primären pulmonalen Hypertonie entspricht oder Ausdruck der genetischen Prädisposition für diese Erkrankung ist.
[@uelle: Derliz Mereles Dr. med.]