Die Lungenfunktionsprüfung – auch bei Kleinkindern

Lungenfunktionsdiagnostik im Kleinkindesalter

Einführung

Respiratorische Symptome sind die häufigsten Krankheitsmanifestationen im Kleinkindesalter. Zudem beginnen viele chronische Lungenkrankheiten, wie zum Beispiel das Asthma bronchiale oder die zystische Fibrose bereits früh in der Kindheit. Die immunmodulatorischen oder infektiös ausgelösten Entzündungsvorgänge können zu chronischen Umbauveränderungen führen, welche ihrerseits meist irreversibel sind. Aufgrund dieses bereits frühkindlich beginnenden Krankheitsprozesses wäre eine frühzeitige Diagnosestellung sowie eine regelmässige Therapiekontrolle des Krankheitsverlaufs für die Vermeidung von sowohl kurzfristigen als auch langzeitlichen pulmonalen Schäden äusserst wichtig. Die Lunge eines Kleinkindes erfährt in den ersten Monaten riesige Entwicklungen. So sind zum Beispiel bei Geburt noch fast keine Alveolen vorhanden.

(Abbildung: Lungenfunktionsgerät Exhalyzer (Ecomedics,Dürnten) für Kleinkinder.)

LungenfunktionsgerätÄussere Einflüsse, wie Passivrauchen oder auch Medikamente (Steroide) können diese Lungenentwicklung beeinflussen und somit bereits frühkindlich bleibende pulmonale Schäden setzen. Noxen sollten deshalb im Kleinkindesalter vermieden werden und Medikamente nur nach genauer Diagnosenstellung bewusst eingesetzt werden. Die Lungenfunktionsprüfung zur Diagnosenstellung und zur Verlaufsüberwachung respiratorischer Krankheiten ist sowohl bei Erwachsenen als auch beim älteren Kind ein wichtiges Instrument zur Objektivierung von respiratorischen Erkrankungen. Im Vordergrund stehen dabei Messungen, die Hinweise auf eine obstruktive (forcierte exspiratorische Atemmanöver, Atemwegswiderstandsmessungen) mit pulmonaler Überblähung (Lungenvolumen) und/oder restriktive (Lungenvolumina, Lungenelastizitätsmessungen) Ventilationsstörung geben. Aufgrund von Kooperationsproblemen bei Kleinkindern sind diese standardisierten Untersuchungen bei Kindern schwierig oder gar nicht möglich.
Seit September 1999 entwickeln wir unter dem Namen der «Swiss Paediatric Respiratory Physiology Research Group» in enger Zusammenarbeit mit der Firma Ecomedics in Dürnten ein Lungenfunktionsgerät für Kleinkinder und untersuchen mit diesem Gerät obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen in dieser Altersgruppe.

Aktuelle Forschung

Bei älteren Kindern und im Erwachsenenalter wird die Atemwegsobstruktion nach einer maximalen Inspiration bis zur Totalkapazität der Lunge durch eine aktive, forcierte Exspiration bis zum Residualvolumen gemessen. Für die Quantifizierung der Obstruktion werden volumenbezogene Messparameter (maximale Flusswerte bei 25%, 50% und 75% der Totalkapazität) und zeitbezogene Parameter (forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde) aus der Flussvolumen- bzw. der Volumenzeitkurve beurteilt. Da dieses Atemmanöver eine Kooperation verlangt, sind diese Untersuchungen normalerweise erst bei Kindern ab dem fünften Lebensjahr möglich.
Basierend auf den Erkenntnissen der forcierten Exspiration wurden die sogenannten Thoraxkompressionsmethoden für Kleinkinder entwickelt. Seit der Erstbeschreibung durch Adler und Wohl (1978) haben sich die Thoraxkompressionsmethoden zur Messung der Obstruktion anhand der Flussvolumenkurve bei Kleinkindern etabliert. Die Thoraxkompressionsmethoden, die bei sedierten Kleinkindern angewendet werden, bedienen sich einer den Thorax umgebenden, aufblasbaren Jacke, welche am Ende einer Inspiration rasch mit Druckluft gefüllt wird und somit zu einer passiven forcierten Exspiration führt. Die Weiterentwicklung der primär beschriebenen «Rapid thoracic compression»-Methode führte zur «Raised volume rapid thoracic compression»-Methode.
Bei dieser Methode, die erstmals von Turner (1995) beschrieben wurde, wird durch den Einsatz einer Pumpe anschliessend an eine passive Inspiration Luft bis zur Totalkapazität in die Lunge gepumpt und erst anschliessend mittels der Jacke eine forcierte, passive Exspiration durchgeführt. Dies erlaubt die Beurteilung der Flussvolumen- und/oder Volumenzeitkurve über einen grösseren Abschnitt. Untersuchungen haben gezeigt, dass mit der «Raised volume rapid thoracic compression»-Methode subjektive, obstruktive Symptome objektiv messbar sind und eine Antwort auf Bronchodilatatoren und eine bronchiale Hyperreaktivität gemessen werden können. Neben diesen Techniken gilt heute die Säuglings-Plethysmographie als zuverlässiger und validierter Standard zur Erfassung von Atemwegswiderstandserhöhungen und Lungenvolumina. Diese Technik kann nur beim sedierten Kind durchgeführt werden, hat jedoch den Vorteil, dass Atemwegsdurchgängigkeit und Lungenvolumen gleichzeitig gemessen werden können. Dies ist für Säuglinge besonders wichtig, da Atemwegsdurchgängigkeit stark vom Lungenvolumen abhängig sind.
Neben dieser Technik, die nur beim sedierten Kind durchgeführt werden kann, entwickeln wir auch nicht invasive Methoden zur Erfassung der Atemwegsleitfähigkeit und des Lungenvolumens, die beim nicht sedierten Kind im natürlichen Schlaf auf dem Arm der Mutter durchgeführt werden können. Die für Säuglinge neu entwickelte Interruptionsmethode ergibt auch im ersten Lebensjahr reproduzierbare Messwerte für die Elastizität der Atemwege und den Lungenwiderstand. Die «multi-breath gas washout»-Technik wurde für Säuglinge adaptiert und ermöglicht eine reproduzierbare Erfassung des Lungenvolumens und der Gas-Verteilungsstörungen in der Säuglingslunge. Beide dieser Techniken wurden bei über 60 gesunden Säuglingen im Alter von 4 Wochen in einer grossen prospektiven Studie des Schweizerischen Nationalfonds, die sich mit der Früherkennung des Säuglingsasthmas befasst, verwendet.
Neben den atemmechanischen Veränderungen der Säuglingslunge interessiert jedoch für die Diagnose des frühkindlichen Asthma bronchiale auch der Entzündungszustand der Atemwege. Von erwachsenen Asthmatikern ist bekannt, dass bei entzündeten Atemwegen in der Ausatmungsluft erhöhte Werte von Stickoxiden (NO) auftreten. Es ist nun erstmals gelungen, bei Säuglingen solche Stickoxidmessungen in der Ausatmungsluft durchzuführen. Diese Messungen erlauben möglicherweise in der Zukunft eine genauere Diagnostik des Asthma bronchiale im Kleinkindesalter.

Ausblick

Die Früherkennung von pulmonalen Erkrankungen erlaubt eine frühzeitige Etablierung präventiver und therapeutischer Massnahmen.
Häufig zeigen sich im Kleinkindesalter respiratorische Symptome erst, nachdem bereits grosse Veränderungen in der Lungenfunktion vorhanden sind. Die Entwicklung neuer, sensitiver lungenfunktioneller Methoden wird uns erlauben, bereits subklinische Veränderungen in der Lungenfunktion zu erkennen. Dies ist vor allem wichtig in der Betreuung von Kleinkindern mit chronischen Lungenkrankheiten, wie dem Asthma bronchiale, der bronchopulmonalen Dysplasie und der zystischen Fibrose.
Die Anwendung von lungenfunktionellen Methoden in epidemiologischen Untersuchungen wird uns helfen, den Langzeitverlauf von pulmonalen Erkrankungen vom Kleinkindesalter bis ins Erwachsenenalter zu verfolgen. Einflüsse von Umweltfaktoren und weiteren Risikofaktoren auf den Verlauf der Krankheit können gemessen werden. Diese Erkenntnisse werden erlauben, präventive Massnahmen zu verbessern und klarer zu definieren.
Etablierte und innovative Therapiemodalitäten können in ihrer Wirkung sowohl bezüglich Kurzzeit- als auch Langzeiterfolg getestet werden.
Gleichzeitig können allfällige Nebenwirkungen von Medikamenten überprüft werden.
Lungenfunktionelle Messungen werden uns aber auch helfen, die Entwicklung des respiratorischen Organs nicht nur bei Lungenkranken, sondern auch bei gesunden Kleinkindern zu erforschen und Normwerte für die einzelnen Methoden zu erarbeiten.
Die lungenfunktionellen und somit pathophysiologischen Methoden sollen mit Erkenntnissen der Molekulargenetik, Biochemie und der Zellbiologie kombiniert werden, um diagnostische und therapeutische Feinheiten auszuarbeiten.
Die gemachten Erfahrungen sollen helfen, die bisher teuren und aufwendigen, nur in spezialisierten Kliniken zugänglichen Methoden zu vereinfachen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

[Dr.J. H. Wildhabera, U. Freyb / Universitäts-Kinderklinik Zürich]