Bonner Ärzte bannen drohendes Herzversagen:
Ungewöhnliche Herz-Operation bei Lungenhochdruck
In ihrer Lunge herrscht zu hoher Druck, und das Herz pumpt stärker um das nur gering mit Sauerstoff aufgefrischte Blut in den Körperkreislauf zu bringen. Atemnot und Schwindel zwingen Lioba S., ihr Hobby Tanzen aufzugeben. Ihr rechtes Herz ist stark überlastet und droht zu versagen. Hilfe findet die 17-jährige Schülerin am Universitätsklinikum Bonn. Die Bonner Ärzte wagen eine ungewöhnliche Herzoperation, die sie bereits sieben Mal mit Erfolg durchführten.
Etwa vor einem Jahr bekam Lioba S. Luftnot und Schwindelgefühle und gab Jazz- und Hip-Hop-Dance auf: „Doch dann konnte ich auch keine Treppe mehr ohne Pause hochgehen. Ich war ständig müde und lustlos.“ Ein niedergelassener Kinderkardiologe stellte die schreckliche Diagnose „Lungenhochdruck“.
Die Krankheit beginnt bei Lioba S. schleichend. Aufgrund eines angeborenen Herzfehlers – ein Loch so gross wie ein Haselnuss zwischen beiden Herzkammern – fliesst zuerst zuviel Blut mit einem zu hohem Druck in die Lunge. Die Lungengefässe verengen und verhärten sich. Durch den Lungenhochdruck staut sich das Blut im rechten Herz, das eifrig bemüht ist, das Blut trotzdem in die Lunge zu pumpen. Die rechte Kammer vergrössert sich, und der Druck steigt, bis sauerstoffarmes Blut durch das Loch im Herzen über die linke Kammer in den Körperkreislauf ströungen und therapeutischer Schäden ausgesetzt wie Erwachsene“, betont BVHK-Geschäftsführerin Hermine Nock.
Die nicht am Kind getesteten Medikamente werden in der Kinderheilkunde regelmässig und in grosser Bandbreite eingesetzt: „In den niedergelassenen Praxen gehen Studien von 17 Prozent aus, im stationären Bereich sind es 50 bis 60 Prozent“, sagt Hulpke-Wette. In der Intensivmedizin werden sogar zu 90 Prozent nur für Erwachsene zugelassene Medikamente an die Kleinen verabreicht. „Je kranker das Kind, desto stärker sind Ärzte und Eltern auf Arzneien angewiesen, die nur für Erwachsene zugelassen sind“, ergänzt Nock.
Häufig falsche Dosierung
Aber auch bei absoluten Alltagsmedikamenten wie dem Schmerzmittel Paracetamol sei die für Kinder richtige Dosierung nicht ausreichend getestet, meint Hulpke-Wette. Die Dosierung eines Erwachsenen- Medikaments dürfe grundsätzlich nicht einfach nach Körpergewicht des Kindes heruntergerechnet werden. „Der kindliche Stoffwechsel funktioniert ganz anders.“ Über Art der Schädigungen und Fallzahlen gebe es keine genauen Daten. Unerwünschte Wirkungen würden nur selten an die Bundesärztekammer gemeldet.
Kinder sind für die pharmazeutische Industrie wegen ihres kleinen Marktanteils nach Medizinerangaben wenig interessant. „Der Arzneimittelmarkt für Kinder macht nur ein Prozent am gesamten Arzneimittelmarkt aus“, erklärt Hulpke-Wette. Daher lohnten sich teure und aufwendige Studien für die Industrie nicht.
EU-Verordnung soll helfen
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Köln sieht seit Jahren dringenden Handlungsbedarf: „Ein grosser Teil der Präparate, der täglich eingesetzt wird, ist nicht an Kindern getestet und damit als wahrscheinlich bedenklich einzustufen“, sagt Thomas Fischbach, BVKJ-Landesvorsitzender Nordrhein. Bei Dosierung und Anwendung müsse sich der Mediziner auf Erfahrungswerte verlassen. Komme es zu Schädigungen oder werde der Einsatz eines Erwachsenen- Präparats verweigert, könne der Arzt haftbar gemacht werden. „Im Grunde ist es doch so, dass wir mit einem Bein im Gefängnis stehen.“
Das Problem besteht nicht nur in Deutschland. Die neue EU-Verordnung zur Förderung kindgerechter Medikamente soll nun Abhilfe schaffen. Die Verordnung passierte im September in erster Lesung das EU-Parlament. Für Kinder zugelassene Präparate sollen demnach deutlich gekennzeichnet werden, die Pharmaindustrie soll Anreize für mehr klinische Studien erhalten. Viele Familien hoffen nun. So auch Maria (8), für deren Fall von Lungenhochdruck nur eine Erwachsenen- Arznei zur Verfügung stand. Hulpke-Wette: „Es gab keine andere Therapiemöglichkeit. Trotz einer Woche Austestung in der Klinik mit strenger Überwachung und guten Ergebnissen ist die Patientin nach wenigen Tagen Zuhause sehr schwer erkrankt und auf der Intensivstation gelandet.“
[@uelle: ZDF]
Überlaufventil verhindert Blutstau
Lioba S. hat die gefährliche Phase nach der Operation gut überstanden und ist wohlauf. Sie fühlt sich nicht mehr so schlapp und lustlos. Derzeit muss sie alle drei Stunden Medikamente inhalieren, die eine Regeneration der Lunge unterstützen. „Mein einziger Wunsch ist ein Leben ohne Einschränkungen. Vorher habe ich alles für selbstverständlich gehalten. Jetzt lebe ich viel bewusster und freue mich über jede Kleinigkeit“, sagt die Schülerin, die das Abitur anstrebt.
PD Dr. Johannes Breuer
Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie
Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-3350
E-Mail: johannes.breuer@ukb.uni-bonn.de
PD Dr. Christoph Schmitz
Leiter des Funktionsbereiches Kinderherzchirurgie
Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-4193
E-Mail: christoph.schmitz@ukb.uni-bonn.de
[@uelle:Uni – Bonn / Fotos: Dr. Inka Väth/Uni Bonn]