Der Lungenhochdruck „Pulmonale Hypertension“
Wir alle kennen unter dem Namen Blutdruck den Wert den man mit der aufblasbaren Manschette am Arm messen kann, dieser Wert entspricht dem Druck im Körperkreislauf, der obere (systolische) Wert entspricht eigentlich auch dem Druck, den die linke Herzkammer durch ihre Kontraktion (Systole) erzeugt. Nun haben wir aber ja auch nebst dem Körperkreislauf einen parallel geschalteten Lungenkreislauf, der auch mit einem „Blutdruck“ angetrieben werden muss, dieser Blutdruck des Lungenkreislaufs ist von aussen nicht messbar, ist aber im Normalfall deutlich tiefer (etwa 1/4 bis 1/5 des Blutdrucks im Körperkreislauf). Der Lungenkreislauf wird also im Normalfall mit deutlich weniger Kraftaufwand von der rechten Herzkammer angetrieben. Sehr viele verschiedene Zustände können dazu führen, dass der Blutdruck in der Lunge erhöht ist, unabhängig von der verantwortlichen Ursache nennt man diesen Zustand der Erhöhung des Blutdrucks im Lungenkreislauf „pulmonale Hypertension“ (ab jetzt im Text als PHT abgekürzt) oder eben zu deutsch Lungenhochdruck.
Ursachen für Lungenhochdruck
Die Ursachen für eine PHT sind sehr mannigfaltig: unter den angeborenen Herzfehlern die eine PHT verursachen können, finden wir diejenigen bei denen eine grosse direkte Verbindung zwischen Herzkammern oder den grossen Arterien besteht (also: VSD, AV-Kanal, grosser Ductus, Truncus arteriosus, Aorto-pulmonales Fenster), oder wenn nur eine Herzkammer vorhanden ist und die Lunge nicht durch ein Hindernis geschützt ist. Weiter können Hindernisse im linken Herzen (also: Aortenstenose, Isthmusstenose, Lungenvenenstenosen, Mitralklappenprobleme) zu einem passiven Rückstau in die Lungen und so zu einer PHT führen. Daneben kommt PHT auch vor als Folge von Lungenerkrankungen, als Nebenwirkung von Medikamenten, Folge von immerwiederkehrenden Lungenembolien oder auch als Folge eines Schlaf-Apnoe-Syndroms. Ein bedeutender Teil der Patienten mit PHT leidet an einer Form die man in der Fachsprache als „idiopathisch“ oder „primäre PHT“ bezeichnet, das heisst dass die auslösende Ursache nicht gefunden werden kann, diese Form kommt auch familiär vor. Von all diesen möglichen Ursachen haben wir Kinderkardiologen am meisten mit Kindern zu tun, die an einem Lungenhochdruck als Spätfolge eines (unbehandelten oder zu spät erkannten) Herzfehlers leiden, oder die die primäre Form der PHT haben ohne andere erkennbare Ursache.
Spätfolgen des Lungenhochdrucks
All diesen Zuständen mit Lungenhochdruck ist gemeinsam, dass das rechte Herz mit sehr viel mehr Kraftaufwand das Blut durch die Lunge pumpen muss, und zwar deswegen weil der Widerstand in den Lungengefässen erhöht ist (primäre PHT) oder weil aufgrund eines Herzfehlers (typisch z.B. bei grossem VSD) der Druck des Körperkreislaufs direkt auch auf das rechte Herz übertragen wird und somit auch direkt in die Lungengefässe fortgeleitet wird. Diese Druckübertragung bei Herzfehlern führt dann innert Monaten bis Jahren zu einer Schädigung der Lungengefässe die schliesslich irreversibel verändert werden: im Prinzip kommt es dabei zu einer Verdickung der Gefässwände die zudem ihre Elastizität verlieren und es kommt zu einer deutlichen Verkleinerung des Gefässinnenraumes, in dem das Blut sich bewegt. Somit wird die Gesamtheit aller Lungengefässe dem Blutfluss einen sehr grossen Widerstand entgegenbringen, entsprechend muss der Muskel der rechten Herzkammer klar mehr Kraft aufwenden, d.h. er muss eigentlich bei jedem Herzschlag „body builden“. Aus einer reinen Herzerkrankung ist nun eine Herz und Lungenerkrankung geworden. Dies ist ein Zustand den wir Kinderkardiologen absolut vermeiden wollen. Man wird deshalb bei den Herzfehlern bei denen man das Risiko des Lungenhochdrucks kennt (grosser Ductus, grosser VSD, AV-Kanal und andere) bei den Echokontrollen immer auf Zeichen des Lungenhochdrucks achten und diese suchen. Bei Anzeichen dafür wird entweder die Empfehlung einer Herzkatheteruntersuchung ausgesprochen, um die Druckwerte zu messen, oder aber je nach Herzfehler direkt die Empfehlung zur Korrekturoperation ausgesprochen. Durch die zusätzliche Lungenerkrankung durch den Lungenhochdruck wird die Prognose des Kindes so ungünstig beeinflusst, dass diese Empfehlungen immer sehr bestimmt ausgesprochen werden, eine Erfahrung die sicher viele der lesenden Eltern auch schon gemacht haben.
Diagnostik bei Lungenhochdruck
Bei Kindern mit Herzfehlern hat man die Gelegenheit durch die regelmässigen Echokontrollen das Entstehen eines Lungenhochdrucks rechtzeitig zu erkennen und zeitgerecht zu handeln. Ausser vielleicht einem zusätzlichen Herzkatheter hält sich der diagnostische Aufwand damit im Rahmen.
Anders verhält es sich bei der primären PHT. Hier kommen die Kinder üblicherweise erst im Spätstadium in unsere Beobachtung. Diese Kinder sind lange Zeit ohne Symptome, oder aber die Symptome werden eher einem Asthma zugeordnet. Da hier kein auffälliges Herzgeräusch besteht hat der Kinderarzt der das Kind regelmässig sieht, lange Zeit kaum eine Chance, diese Krankheit früh zu erkennen. Im kinderkardiologischen Zentrum muss dann zuerst nach der Ursache geforscht werden, dabei müssen auch all die seltenen Ursachen ausgeschlossen werden und damit ist der diagnostische Aufwand meist erheblich. Herzkatheter und Computertomogramm der Lungen, Lungenfunktion, EKG, Echo und Röntgen sowie eine umfangreiche Blutuntersuchung gehören hier zum Standard.
Wie für die Behandlung auch gibt es für die Diagnostik internationale Standards (sogenannte Guidelines) die von Expertengremien und den kardiologischen Fachgesellschaften als Empfehlungen an die behandelnden Aerzte gerichtet sind und die Diagnostik und Therapie auf dem neuesten Stand der Erkenntnis halten
sollen.
Behandlung des Lungenhochdrucks
Weil der Lungenhochdruck einer der letzten kinderkardiologischen Krankheiten ist wo uns therapeutisch noch sehr die Hände gebunden sind, ist in diesem Gebiet eine intensive Forschungsaktivität im Gang. Dies hat in den letzten Jahren zwar zu einer Verbesserung und Vereinfachung der Behandlung geführt, insgesamt sind die Behandlungserfolge aus ärztlicher Sicht zwar ermutigend aber immer noch enttäuschend. Damit wir hier vorankommen, werden wie in andern Ländern auch, möglichst alle Patienten in einem schweizerischen Register erfasst (nach vorheriger Aufklärung und nur mit Einverständniserklärung der Eltern). Dies ist eine Strategie die man bei vielen seltenen Krankheitsbildern verfolgt, dass durch das Sammeln der Daten aus mehreren Zentren schliesslich eine bessere und vollständigere Aussage über Krankheitsmerkmale und Behandlungsresultate zusammenkommt; wir verfolgen damit das Ziel neben der Grundlagenforschung im Labor parallel dazu auch durch diese klinische Forschung in der Behandlung der PHT rascher weiterzukommen. Für diese möglichst komplette Datenerfassung sind wir auf die Mithilfe der Eltern angewiesen. Daneben existiert eine Fachgesellschaft von Spezialisten, die sich dieser Krankheit angenommen hat (Schweizerische Gesellschaft für Pulmonale Hypertonie). Die eigentliche Behandlung ist in den letzten Jahren sehr verändert worden und neue Entwicklungen werden auch in näherer Zukunft die Therapieschemata immer wieder verändern.
Im Wesentlichen besteht die Behandlung aus der bekannten Herzunterstützung mit Diuretika (wassertreibend) und Digoxin, daneben muss oft mit einer Heimsauerstofftherapie begonnen werden. Auch über eine Blutverdünnung wird mit der Familie gesprochen werden. Die Behandlung die direkt auf die Lungengefässe abzielt ist aufwendig und vor allem teuer. Hier bestehen mehrere Möglichkeiten: es gibt eine Medikamentengruppe die als Inhalationstherapie (die allerdings 6 -8 mal pro Tag durchgeführt werden muss) angewandt werden kann, eine damit verwandte Substanz kann als Alternative kontinuierlich über eine Infusionspumpe intravenös verabreicht werden. Die neueste Entwicklung hat uns zum Glück auch Medikamente gebracht die gleich wirksam sind die jetzt aber oral eingenommen werden können. Am meisten verwendet wird das Tracleer, das beim Apotheker vor allem wegen seinem Preis Aufsehen erregen wird, daneben braucht man auch das Sildenafil als oral einnehmbare und wirksame Behandlung, auch hier wird das Einlösen des Rezeptes den Apotheker die Augenbrauen hochziehen lassen: Sildenafil ist nämlich nichts Anderes als der chemische Name für das bekannte Viagra. In den nächsten Jahren ist in diesem Gebiet mit vielen weiteren therapeutischen Fortschritten zu rechnen.
Nebst den rein medizinischen Behandlungsmassnahmen hat diese Erkrankung auch Auswirkungen auf das gesamte Familienleben. Die körperliche Leistungsfähigkeit bei PHT ist in der Regel deutlich eingeschränkt, was den Aktionsradius der Kinder einschränkt. Damit kommen noch Infrastrukturarbeiten auf die Familie zu (Transportwege des Kindes z.B. in die Schule, Rollstuhlgängigkeit der Wohnung, Transport des Sauerstoffs)
Auch wenn diese therapeutischen Neuentwicklungen unseren Handlungsspielraum erweitert haben bleibt die PHT vorerst eine schwere und nicht heilbare Erkrankung mit nach wie vor ungünstiger Prognose. Verbesserungen für die Patienten wurden zwar erreicht, aber die Lebenserwartung für Kinder mit PHT bleibt deutlich eingeschränkt.
2006 / Professor Jean-Pierre Pfammatter Abteilungsleiter Kardiologie Universitätsklinik Bern
[@uelle: Elternvereinigung für das herzkranke Kind]