Maibummel in die Ostschweiz 20.05.2016
Kalt und bewölkt ist es an diesem Freitag Morgen und der Meteorologe nennt das ein Zwischenhoch mit leichter Nordwindtendenz.
Vorsichtige haben für die Reise, eine warme Jacke ausgewählt, weil es vielleicht wechselhaft und kalt sein könnte.
Doch dieser Freitag wird sich in seinem Verlauf, als sonniger Spätfrühlingstag mit Temperaturen bis 20 Grad Celsius präsentieren.
Die Bewölkung wird sich während des Tages auf einige hohe Wolkenfelder reduzieren. Und stichig wird die Sonne, sich noch für jene Unvorsichtigen erweisen, welche keine Kopfbedeckung mit genommen haben.
Unser Willi Oesch hat als Treffpunkt für diesen Ausflug, das Hotel Wallhalla in Zürich, ausgewählt, das kleine gefällige Entrée, wartet um neun Uhr dreissig noch etwas gelangweilt aber geduldig auf seine Gäste.
Genau um neun Uhr fünfundvierzig ist die Geduldsprobe für das Wallhalla-Entrée zu Ende. Dreiunddreissig SPHV-Mitglieder nehmen das Entrée in Beschlag, es gibt Tee, Kaffee und Gipfeli und solche die so was jetzt nötig haben, alles zusammen, wirkt gefällig.
Wenn dann unser Buschauffeur Peter Hardegger seinen Blick über uns schweifen lässt, wissen die kundigen SPHV-Mitglieder, dass es Zeit wird das Zipfeli vom Gipfeli, noch schnell in den Mund zu schieben und die Taschen zu ergreifen. Es wird Zeit für die Abfahrt in seinem schönen und modernen Car in dem es aus Erfahrung so angenehm zu reisen ist.
Die Stadt Zürich ist neidisch auf uns, sie lässt uns nicht einfach ziehen, alle Strassenampeln haben sich gegen uns verbündet. Rot, rot und nochmals rot.
Doch das macht nichts, es geht trotzdem weiter, ab Dielsdorf brummt der Car kontinuierlich gegen Norden.
Dann aber hat der Schreiberling nicht mehr aufgepasst wohin die Fahrt geht, die sanfte und ruhige Hügel-Landschaft hat ihn wohl vom Leben auf dem Lande träumen lassen. Wir fahren durch kleine Dörfer, oft mit schönen alten Riegel- und Bauernhäuser, dann wieder hinaus an Weinbergen und gelben Rapsfelder vorbei. Hier gibt es in den satt grünen Wiesen viele Obstbäume die nur noch teilweise in Blüte stehen. Fachleute beobachten schon seit einiger Zeit, dass die Bluescht, sich in den April verschiebt, schön ist der Ausblick trotzdem.
Dann endlich wieder eine Ortstafel, Oberhallau, dann Deutscher Zoll Rheinheim wir überqueren den Rhein. Wo nur ist denn da, unser Peter Hardegger mit uns hingefahren, wir wollten doch zum Rheinfall und jetzt erscheint so alles wie ein Reinfall.
Elf Uhr fünfundfünfzig Schleitheim, der Appetit muss gross sein, es ist ganz ruhig im Reisecar, ein gutes Essen muss jetzt her.
Doch die Gegend will kein Restaurant präsentierten, im Gegenteil die Strasse führt uns in schon fast bergiges Gelände. Tatsächlich fahren wir jetzt zu der einzigen Alp des Kanton Schaffhausen, wie uns Peter Hardegger wissen lässt. Wozu sollen wir den wissen, dass diese Alp auch noch die tiefgelegenste Alp in der Schweiz sein soll, wenn uns doch der Appetit, vielleicht sogar den Hunger plagt?
Zwölf Uhr, Alp-Restaurant Babental, ist die Antwort auf all unsere unausgesprochenen Fragen zum Thema Essen. Unverzüglich begeben wir uns in die heimelige Gaststube, und suchen uns einen Platz an den sorgfältig gedeckten Tischen.
Jeder der hier im Gasthaus essen will, muss am Fuchs vorbei, das Tier imponiert mit seinem Blick und seiner Haltung und man hält beim Vorbeigehen vorsichtig etwas Abstand.
Das Essen ist gut, der junge Koch erhält einen Applaus, es folgt noch Tee, Kaffee und dazu ein Mini-Mini-Cornet-Clace. Die Glacekarte verspricht noch mehr Genuss und einige müssen so was jetzt einfach haben.
Um vierzehn Uhr werden wir von vielleicht dreiunddreissig Rindern, scheu und neugierig zugleich aber mit grosser Aufmerksamkeit beobachtet, wie wir uns vor dem Reisecar zum obligaten Gruppenfoto versammeln.
Um vierzehn Uhr dreizehn fährt der Car weiter, Peter Hardegger macht uns Mut, er verspricht uns eine spannende Anfahrt zum Rheinfall.
Doch für einige ist es jetzt genau der richtige Moment um eine Weile die Augen zu schliessen um sich etwas aus zu ruhen und Energie für das Bevorstehende zu sammeln.
Vierzehn Uhr vierundzwanzig, Siblingen, . siebenundzwanzig Lohringen, .neunundzwanzig Beringen, ..vierundreissig Neuhausen, und um vierzehn Uhr neunundreissig sehen wir schon den ersehnten Rheinfall.
Um vierzehn Uhr fünfundvierzig steht der schöne weiss-orange Reiscar leer und verlassen auf dem Busparkplatz vor den Rheinfall, alle sind plötzlich auf und davon.
Der Rheinfall beeindruckt, da sind wir doch arglos durch die Hügellandschaft gefahren und haben unseren Rhein bei Rheinheim noch ruhig und sanft dahin fliessen sehen. Und hier in Schaffhausen erfahren wir, wie er seine ganze Gewalt austobt, indem er donnernd und gischtsprühend, über eine dreiundzwanzig Meter hohe Felskante herunterstürzt und uns damit sein bis dahin verborgenes Wesen offen legt.
Eine kleine Gruppe dem sich auch unser Schreiberling anschliesst, wagt es mit dem Boot Nr. 1, zum Rheinfelsen hin zu fahren, der mitten im Rheinfall steht. Sonderbar, dass die Natur den Felsen für den Tourismus, genau an den richten Ort entstehen liess.
Das Boot scheint stabil zu sein und der Mann am Steuer agiert ruhig und routiniert, das gibt Zuversicht und Mut. Während der Bootsführer eindampft wird eingestiegen, es sind auch Touristen aus China, Ägypten und Indien dabei. Alle sind neugierig und viele sind bestimmt das erste mal dabei und wissen deshalb noch nicht, was auf sie zukommen wird.
Auch ohne nautische Erfahrung spürt jeder an Bord dieses Bootes, dass die Strömung stark sein muss, das Boot vibriert dauernd und erhält heftige Stösse.
Die Anlegestelle am Rheinfelsen ist klein, doch recht geschickt sind die Passagiere ausgestiegen und bewegen sich zielstrebig zur Treppe hin.
Gut für die kleine PH-Gruppe, wir müssen die Sache langsam angehen, wenn wir die steile Treppe bis zu der kleinen Kanzel zu oberst auf dem Felsen, sicher überwinden wollen.
Hätten wir den eine solche Herausforderung, auch an einen anderen Ort angenommen?
Auffallen tun wir aber mit unserem Schneckentempo trotzdem nicht, wir müssen nach ein paar Treppenstufen bereits anstehen. Da sind viele Leute die nach oben wollen, die Einrichtung scheint ausgelastet zu sein, alle müssen langsam hintereinander hoch gehen.
Dieses kollektiv langsame hoch steigen aller Anwesenden, lässt mich nachdenken. Anderswo haben wir PH-Patienten beim Treppen steigen, auch schon mal die Ungeduld unserer Mitmenschen erfahren müssen, hier scheint das nicht so zu sein.
Ist das vielleicht der richtige Ort für uns, um unser krankheitbedingtes Verhalten, den Leuten etwas verständlicher zu machen?
Wir vertreiben uns die Zeit bis zur kleinen Kanzel mit fotografieren und dürfen staunen. Wo man auch hinschaut, es gibt immer wieder etwas neues zu sehen, jeder Schritt nach oben wird mit neuen Eindrücken belohnt.
Wir sind hier international, auch wenn ganz oben eine Schweizerfahne flattert.
Auf der kleinen Kanzel gibt es scheinbar Regeln, sind Chinesen in der Mehrzahl dreht die Menge sich im Uhrzeigersinn, haben mehrheitlich Inder die Plattform erreicht, bewegen sie sich gegen den Uhrzeigersinn. Die Ägypter, wollen fast nicht mehr herunter und wenn ein Schweizer die Kanzel betreten will, geht gar nichts mehr.
In einer Form des Empfindens, müssen wohl alle im gleichen Mass betroffen sein, es erscheint als wäre man der Zeit hier auf der kleinen Kanzel enthoben, so berauschend und faszinierend ist dieser Ort mitten im Rheinfall.
Herabsteigen geht besser, und schnell ist die kleine Gruppe unten, es ist spät geworden und das Boot lässt auf sich warten.
Dann geht alles schnell, einsteigen, hinsetzen loslegen, das ist gut so.
Nochmals dürfen wir den Rhein erleben, diesmal dürfen wir ihn hautnah spüren.
Der Bootsführer fährt ohne Ansage mit seinem Boot in den Kern des Fallbeckens hinein.
Im Kehrwasserstrudel braucht es dann auch keinen Vortrieb mehr, wir gleiten angezogen vom Rücklauf in Richtung Wasserfall.
Mir kommt es vor als würde ich selbst ein Flaschenkorken sein, kurz zuvor noch eingesteckt im Flaschenhals und einen Augenblick später schon umgeben von Champagner-Schaum, durch die Luft davon fliegend.
[@uelle: Martin Blunschi]