Ein schmaler Pfad zurück ins Leben

ANITA KEILBERTHS LEIDENSGESCHICHTE MIT EINEM „HAPPY END“

Marktredwitzerin leidet unter Lungenhochdruck / Über zweieinhalb Jahre von Ärzten falsch behandelt

„Ich hätte ganz einfach tot umfallen können.“ Doch dank einer riskanten Operation im totalen Kreislaufstillstand sitzt Anita Keilberth wieder zu Hause auf dem Sofa in Marktredwitz – zwischen ihrem Mann Peter und Mutter Erna Reul. Es hätte auch anders kommen können: Zweieinhalb Jahre lang ist die 32-jährige Sonderschullehrerin falsch behandelt worden. Kein Arzt hatte entdeckt, dass sie unter Lungenhochdruck leidet.

Die drei riesigen Sauerstoffflaschen, die in der Küche stehen, gehören in ein anderes Leben. In den nächsten Tagen werden sie abgeholt. Ein dreiviertel Jahr lang wurde Anita Keilberth über einen zehn Meter langen Schlauch rund um die Uhr mit Sauerstoff versorgt. Es ist vorbei. Die Lehrerin, die auf dem besten Weg ist, wieder gesund zu werden – eine Ewigkeit lang konnte sie nicht unterrichten –, erzählt ihre Leidensgeschichte. „Nicht, weil ich mit all jenen, die mich falsch behandelt haben, abrechnen möchte“, stellt sie im Gespräch mit der Frankenpost klar. „Ich möchte, dass andere Betroffene, die vielleicht nicht wissen, woran sie leiden, schneller reagieren können.“

Keine Luft, schwere Erkältung

Im Jahr 2004 fängt alles mit einer Erkältung in der Faschingszeit an. „Schon damals habe ich keine Luft bekommen.“ Ob Hausarzt oder Kardiologe – alle diagnostizieren eine schwere Erkältung. Als die kein Ende nehmen mag, bringen Erna und Otto Reul, die Eltern der jungen Frau, ihre Tochter ins Krankenhaus. Hier wird eine Lungenembolie festgestellt. Anita Keilberth muss auf die Intensivstation. Nach drei Wochen wird sie zur Reha nach Bad Elster geschickt. „Das war der total falsche Ort“, meint die Marktredwitzerin, die dort Herzvorträge besuchen muss.

Ab 2005 fühlt sich die 32-Jährige, die in Hof an einer privaten Schule unterrichtet, zwar besser, „aber ich war nicht mehr so belastbar“. Immer wieder muss sie zu Hause bleiben, kann nicht zur Arbeit. Die Ärzte schieben dies zum Teil auf das Übergewicht der Frau. Eine starke Erkältung folgt der nächsten – und damit das volle Programm vom Schleimlöser bis hin zu Antibiotika. „Ich musste vier verschiedene Asthma-Sprays verwenden. Aber keines hat etwas genützt.“ Mancher Arzt gibt den beiden Katzen die Schuld an der Schweratmigkeit der Frau.
Anita Keilberth bekommt zusehends weniger Luft. „Auch meine Eltern und Bekannten haben mir nicht richtig geglaubt, dass ich immer schwächer werde.“ Mutter Erna Reul, die es heute besser weiss, nickt bestätigend. Nach jedem Schritt geht der 32-Jährigen die Luft aus, sie kommt nicht einmal mehr vom ersten Stock hinunter in die Garage zu ihrem Auto. Sie wird krankgeschrieben.

Im Frühsommer vergangenen Jahres ist Anita Keilberth so geschwächt, dass sie Blut spuckt. „Dann wurde eben mein Verdünnungsmittel, das ich die ganze Zeit über eingenommen habe, neu eingestellt.“ Einem dick angeschwollenen Knöchel wird mit Wassertabletten der Garaus gemacht. Anita Keilberth kann und will nicht mehr. Sie drängt ihren Arzt, sie an eine Fachklinik zu überweisen.

Rettende Diagnose in Kutzenberg

Im Sommer 2006 wird sie stationär in Kutzenberg aufgenommen. Schon nach den ersten Stunden dort steht die Diagnose fest: Lungenhochdruck. „Meine rechte Lunge war mit Gerinseln komplett zu, die linke Seite war auch schon betroffen.“ Ihre rechte Herzhälfte ist bereits vergrössert, unter Belastung fällt die Marktredwitzerin in der Klinik zweimal in Ohnmacht.

Wütend macht die Lehrerin, dass ihr der Arzt in Kutzenberg erklärt hat, „dass jeder Hausarzt diese Diagnostik durchführen kann“. Zur Erweiterung der Gefässe bekommt die 32-Jährige zunächst Revatio. An Arbeiten ist nicht mehr zu denken. Anita Keilberth wird von nun an 24 Stunden rund um die Uhr mit Sauerstoff versorgt.

Hochzeit mit Sauerstoffschlauch

Auch während ihrer Hochzeit im September 2006. Die droht beinahe zu scheitern, weil die Braut am Tag des Polterabends umkippt. „Im Marktredwitzer Krankenhaus habe ich den Ärzten erklärt, welche Krankheit ich habe und wer mich betreut. Das hat niemanden interessiert. Stattdessen wurde ein Schwangerschaftstest gemacht.“

Die einzige Hilfe, die es für die Frau gibt, ist neben einer Lungentransplantation eine Operation namens PEA. „Wenn diese OP nicht möglich wäre, bedeutet das das Todesurteil“, gibt die junge Frau zu verstehen.

Bei der Pulmonalen Endarteriektomie wird der Brustkorb geöffnet. Die Gefässwand der Lungenarterie wird mit einem vertikalen Schnitt aufgetrennt. Anita Keilberth kann in Grosshadern operiert werden, wenn sie 20 Kilogramm abnimmt. Sie schliesst sich den Weight Watchers an. Am 16. Mai dieses Jahres wagt sie den Schritt ins Ungewisse. „Zehn Prozent dieser Operationen können scheitern“, hat sie sich bei einer Schweizer Selbsthilfegruppe informiert. Mit Tränen in den Augen erinnert sich ihre Mutter an den Moment, als sie Anita daheim abholt: „Da hat sie sich auf der Terrasse umgeblickt und gesagt ,Wer weiss, ob ich das alles noch mal sehe?’ “

Vier Stunden lang liegt Anita Keilberth auf dem OP-Tisch – angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine, der Körper auf 18 Grad heruntergekühlt. „Man wird ins Koma gelegt, damit kein Gerinsel ins Gehirn wandern kann.“ Alles geht gut. Nach der Reha ist die Marktredwitzerin wieder im Schoss ihrer Familie. In ein bis zwei Jahren wird sie völlig gesund sein, prophezeien die Ärzte. Und ab September darf sie wieder unterrichten, „spätestens ab dem zweiten Schuljahr wieder voll“.

Jetzt schmiedet die 32-Jährige endlich Pläne, freut sich darauf, im Haushalt wieder Hand anlegen zu können, einkaufen zu gehen ohne wegen der Sauerstoffflasche auf die Uhr blicken zu müssen. „Auf ganz normale Dinge, die man jetzt zu schätzen weiss.“


Hinweis von Administrator

Pulmonale Endarteriektomie (PEA)

Eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension (CTEPH) entsteht, wenn pulmonale Thromboembolien nicht wie gewöhnlich durch das endogene fibrinolytische System aufgelöst werden, sondern fibrotisch organisieren und so zur Obliteration des Pulmonalgefässbaumes führen. Die Therapie der Wahl ist die pulmonale Endarteriektomie (PEA).

[@uelle: VON PEGGY BICZYSKO / Frankenpost]