Bis zur Diagnose vergehen meist Jahre

Professor Ghofrani über Pulmonale Hypertonie.

Herr Professor Ghofrani, Lungenhochdruck, auch Pulmonale Hypertonie genannt, ist eine ziemlich unbekannte Krankheit. Bei welchen Anzeichen sollte man zum Arzt gehen?
Bei jeder unklaren Form der Luftnot. Ob in Ruhe, oder in nicht adäquater Form bei leichter körperlicher Belastung, etwa wenn man eine kurze Strecke spazieren geht. Bei manchen Patienten kann es bei körperlicher Anstrengung auch zur Ohnmacht kommen.

Bis die Krankheit erkannt wird, vergehen im Mittel zwei Jahre. Was kann man tun, damit die Diagnose möglichst frühzeitig gestellt werden kann.
Der Arzt sollte die häufigsten Ursachen ausschliessen, das sind sonstige Lungenkrankheiten, Asthma oder chronische Bronchitis, ausserdem alle Formen von Linksherzerkrankungen. Bis zum Ausschluss des Gegenteils sollte immer auch an Lungenhochdruck gedacht werden. Wichtig ist die Untersuchung auf Rechtsherzerkrankungen. Mit dem Echokardiogramm steht eine schonende, schmerzfreie Methode zur Verfügung. Das Gerät ist auch im Laptop-Format bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus am Bett einsetzbar.

Am Nachweis, dass gefässerweiternde Substanzen bei der Therapie wirksam sind, hat das Giessener Lungenforschungszentrum massgeblich mitgearbeitet. Werden in Giessen noch weitere Wirkprinzipien erforscht?
Wir sehen Lungenhochdruck nicht mehr nur als Folge verkrampfender Gefässe, sondern vor allem als Folge unkontrollierten Wachstums von Gewebe, ähnlich wie es bei Tumoren der Fall ist. So sehen wir grosses therapeutisches Potenzial bei Substanzen, die auch Krebs bekämpfen. Unter Leitung des Giessener Lungenforschungszentrums und dessen Direktoren Friedrich Grimminger und Werner Seeger sind jetzt Studien abgeschlossen worden, die die Wirksamkeit von Imatinib, einem effektiven Mittel gegen Leukämie, untersuchten.

Wie viele Menschen leiden an Pulmonaler Hypertonie?
An der schwersten Form, der Pulmonalen arteriellen Hypertonie, leiden in Deutschland einige Zehntausend. Bis zu einer Million Menschen sind von der Form betroffen, die im Zusammenhang mit chronischen Lungenerkrankungen oder Infektionen wie HIV auftritt. Global gesehen sind rund 70 Prozent der weltweit 300 Millionen Menschen, die an Schistosomiasis (Bilharziose) leiden, auch von Lungenhochdruck betroffen. Zudem haben Menschen, die in grossen Höhen leben, etwa in den Anden oder im Himalaja, ein hohes Risiko für Lungenhochdruck.

An der Universitätsklinik Giessen wird ein Register zum Lungenhochdruck aufgebaut. Was wird dort erfasst?
Das Register geht auf eine Initiative der Selbsthilfevereinigung „PH e.V.“ zurück. Es ist in ein europäisches Netzwerk eingebunden, in das bereits einige tausend Patienten eingeschlossen sind. Mit den Daten können wir mehr Details über diese Erkrankung erfassen,etwa das Altersspektrum der Patienten oder die Begleiterkrankungen. Solche Parameter können uns helfen, bessere Methoden zur Früherkennung zu finden oder das Risiko von Patienten zu bestimmen. Etwa durch einen Bluttest, mit dem bestimmte körpereigene Substanzen als Biomarker identifiziert werden können.

[@uelle: FR-online / Interview: Paul Janositz]